James Franco, Palo Alto

Pubertät und Sex bis zum Anschlag, Partys und Drogen bis zum Abwinken, Poesie und Hilflosigkeit bis zum Umfallen der Seele, das alles aufgesplittet in eine Handvoll Kurzgeschichten. - So kann nur ein Meister des cineastischen Wahnsinns mit dem Stoff umgehen.

Tatsächlich nennt der Hollywood-Schauspieler James Franco seine Geschichten Lehrstücke einer extremen Jugend. Er stillt dabei diese von uns Lesern gerne unterdrückte Lust, eine Story vielleicht einmal ohne Moral und mit fatalem Ausgang lesen zu dürfen.

Bereits in der ersten Geschichte wird nicht lange herum gefackelt.

Vor zwei Jahren, in meinem zweiten Jahr auf der High-School, habe ich an Halloween eine Frau getötet. (13)

Tatsächlich wird viel gesoffen und der Erzähler fährt betrunken eine Frau nieder. Das Opfer ist fast logischerweise eine Bibliothekarin, wie er aus der Zeitung erfährt. Die Fahrerflucht bleibt ungesühnt und unentdeckt, Jahre später schaut sich der Erzähler die Bibliothek an, die damals mit einer neuen Bibliothekarin aufgefrischt worden ist.

Der Stoff dieser Erzählung wird ein zweites Mal bearbeitet, diesmal geht es nur um Blechschaden, der Erzähler wir erwischt und zur Bewährung in eine Bücherei gesteckt. Dort liest er mit Hingabe die Raupe Nimmersatt, bis er bemerkt, dass alle diese Zeichnungen in den Bilderbüchern falsch sind und er sie „richtig zeichnet“. In der Folge muss er die Bewährung im Altersheim abdienen, aber seine Zeichenlust bleibt.

Der falsche Gebrauch von rassistischen Wörtern in einem Rollenspiel eskaliert, als die Schüler die verpönten Wörter wie "Nigger" tatsächlich verwenden, sinnigerweise heißt diese Episode „Amerikanische Geschichte.“

Wir schossen auf Tiere und Menschen. Aber die Tiere waren klein, und wir haben nie jemanden umgebracht. (70)

Mit dieser Erkenntnis fasst ein Trupp Jugendlicher eine Epoche zusammen, in der sie alle mit Steinschleudern, Luftdruckgewehren und Paintball-Pistolen unterwegs sind.

Unter dem unverfänglichen Titel „Chinatown“ sind Sequenzen zusammengefasst, worin die Jugendlichen nach der Methode Gaffen und Ausprobieren die diversen Sexpraktiken aus der Porno-Szene kennenlernen. Interessanterweise passen dabei die Genitalien nie zu den Gedanken, Hirn und Geschlecht entwickeln sich nämlich zeitverzögert, was die Jugendlichen zur Weißglut treibt.

„Ich könnte jemanden töten“, meint der Erzähler und organisiert sich eine österreichische Glock, aber dann ist niemand Richtiger zum Abknallen da und die Lust verläuft sich wieder.

James Franco erzählt knapp, frech und mit voll geschorenem Erzähl-Schädel von diesem grauen Reich der Pubertät, wo alles schon irgendwie echt ist, aber die Maßstäbe noch verzerrte Skalen aufweisen. Absurd, wie sonst manchmal Richard Brautigan erzählt, kommen die ungelenksten Gedanken aufeinander zu stehen und formieren sich zu grandiosen Geschichten, die noch lange im Kopf des Lesers weiter summen.

James Franco, Palo Alto. Stories. A. d. Amerikan. von Hannes Meyer. [Orig.: Palo Alto 2010.]
Frankfurt/M: Eichborn 2012. 221 Seiten. EUR 17,50. ISBN 978-3-8479-0009-2.

 

Weiterführende Links:
Eichborn-Verlag: James Franco, Palo Alto
Wikipedia: James Franco

 

Helmuth Schönauer, 29-04-2012

Bibliographie

AutorIn

James Franco

Buchtitel

Palo Alto. Stories

Originaltitel

Palo Alto

Erscheinungsort

Frankfurt a. Main

Erscheinungsjahr

2012

Verlag

Eichborn-Verlag

Übersetzung

Hannes Meyer

Seitenzahl

221

Preis in EUR

17,50

ISBN

978-3-8479-0009-2

Kurzbiographie AutorIn

James Franco, geb. 1978 in Palo Alto, lebt Los Angeles.