Piketty, Thomas. Die Schlacht um den Euro

„Einige Texte haben inzwischen etwas Patina angesetzt, andere sind noch aktuell. Sie zeugen sämtlich vom Versuch eines Sozialwissenschaftlers, das Tagesgeschehen zu analysieren, sich in die öffentliche Auseinandersetzung einzumischen und die Verantwortung des Forschers mit der des Bürgers in Einklang zu bringen.“ (9)

Unterteilt in drei große Kapitel bietet das Buch eine Zusammenstellung von Beiträgen, die der Autor in der französischen Zeitung Libération in der Zeit zwischen 2008 bis 2015 veröffentlicht hat. Sie bieten anhand von zahlreichen Artikel zu tagesaktuellen Themen einen Rückblick und einen Ausblick auf die Lage der Weltwirtschaft sowie auf die aktuelle Krise innerhalb der Europäischen Union.

Die Beiträge zu „Teil 1: Tausend Milliarden Dollar (2008 – 2009)“ setzen sich mit der globalen Finanzkrise 2007/08 auseinander und untersucht u.a. die neue Rolle der Zentralbanken, bei der Bewältigung der Krise. Thematisiert werden u.a. die Bankenrettung, der europäische Rettungschirm, die Senkung der Mehrwertsteuer, der Unterschied zwischen Roosevelts und Obamas Konjunkturprogramm sowie Hintergründe zur irischen Wirtschaftskrise.

Im 2. Kapitel „Europa gegen die Märkte (2010-2011)“ setzt sich Piketty in zahlreichen Beiträgen mit dem zunehmenden wirtschaftlichen Desaster in Europa und der eigenwilligen Rolle der Banken auseinander. Kritisiert werden dabei die großen Gewinne der Banken unmittelbar nach Ausbruch der globalen Finanzkrise, ihr Spekulieren auf Kosten von Staaten wie Irland und Griechenland ebenso wie die weitverbreiteten Vorurteile aus der Sphäre der häuslichen Moral wie z.B. die Metapher vom faulen Griechen oder die stetige Zunahme privaten Vermögens und dessen soziale Folgen.

Das abschließende Kapitel trägt den markanten Titel „An die Urnen Bürger! (2012-2015)“ in dem Piketty die Außenhandelsbilanz zwischen Frankreich und Deutschland thematisiert. Während Frankreich zu Beginn 2012 ein Defizit von 70 Milliarden Euro aufweist, blickt Deutschland auf einen Außenhandelsüberschuss von 160 Milliarden Euro.

Durch massive Senkung seiner Inlandsnachfrage (der Lohnanteil ist in Deutschland seit 2002 um 5 % des BIP gesunken), hat es sich einer Strategie bedient, die sich ihrer Natur nach nicht auf die gesamte Europäische Union ausdehnen lässt. (114)

Als Lösung der gesamteuropäischen Wirtschaftskrise wird eine Haushaltskammer der Eurozone propagiert, in der die Finanz- und Sozialausschüsse der beteiligten Euro-Länder vertreten sein sollten. Dabei wird auch die fehlende Solidarität zwischen den Euro-Ländern insgesamt stark kritisiert, wobei gerade die starken Ländern jede Verantwortung für Länder die zunehmend in die Krise rutschen, von sich weisen. Aber auch die Tatsache wird kritisiert, dass sich andere Länder wie Japan langsam beginnen von der Finanzkrise zu erholen, während in Europa weiterhin Stagnation und Vertrauensverlust vorherrschen. Als Schlüsselproblem wird mangelnde Demokratie und Übertragung der Beschlüsse an demokratisch legitimierte Einrichtungen genannt, während weiterhin der Europäische Rat und seine Ministerebenen die Entscheidungen treffen.

Pikettys Analyse der wirtschaftlichen und politischen Krise Europas über einen Zeitraum von sieben Jahren bietet zahlreiche Einblicke in das Versagen der europäischen Politik der vergangenen Jahre und lässt erkennen, weshalb die wirtschaftliche Konsolidierung Europas im Vergleich zu Amerika und anderen Ländern auf der Stelle zu treten scheint. Engagiert und mit viel Überzeugung gelingt es Piketty auch in tagespolitischen Zeitungsartikeln komplexe Sachverhalte verständlich zu vermitteln. Ein überaus lesenswerter Rückblick und Ausblick auf eine europäische Geschichte auf ihrem Scheideweg.

Piketty, Thomas, Die Schlacht um den Euro. Interventionen, übers. v. Stefan Lorenzer [Orig. Titel: „Peut-on sauver l’Europe? Chroniques 2004-2012“ sowie „Chroniques 2012-2015“]
München: C.H. Beck Verlag 2015, 175 Seiten, 15,40 €, ISBN 978-3-406-67527-0

 

Weiterführende Links:
C.H. Beck Verlag: Piketty, Thomas. Die Schlacht um den Euro
Wikipedia: Thomas Piketty

 

Andreas Markt-Huter, 21-07-2015

Bibliographie

AutorIn

Piketty, Thomas

Buchtitel

Die Schlacht um den Euro. Interventionen

Originaltitel

Peut-on sauver l’Europe? Chroniques 2004-2012 / Chroniques 2012-2015

Erscheinungsort

München

Erscheinungsjahr

2015

Verlag

C. H. Beck

Übersetzung

Stefan Lorenzer

Seitenzahl

175

Preis in EUR

15,40

ISBN

978-3-406-67527-0

Kurzbiographie AutorIn

Thomas Piketty ist Professor an der Pariser École d’economie. 2013 erhielt er den Yrjö Jahnsson Preis der European Economic Association, 2015 den Preis Das politische Buch der Friedrich-Ebert-Stiftung. Sein Buch Das Kapital im 21. Jahrhundert ist ein internationaler Bestseller.