Tanya Landman, Apache
Karl Mays Winnetou zählte früher ganz selbstverständlich zur Pflichtlektüre der meisten lesenden Buben, von denen sich ein jeder als großer Amerika- und Indianer-Experte fühlte.
Tanya Landmans Pendant zu Winnetou ist die junge Apachin Siki, die sich nach der Ermordung ihres kleinen Bruders durch mexikanische Soldaten entschließt eine Kriegerin zu werden und den Tod ihres Bruders zu rächen. Auch die Familie des großen Kriegers Golakha, der Siki zu Kriegerin ausbilden wird, kommt bei dem Massaker ums Leben.
Siki Leben birgt zahlreiche Geheimnisse, die sich im Laufe der Zeit zunehmend aufzuhellen beginnen. Ihre Mutter war von mexikanischen Soldaten ermordet worden und auch ihr Vater war zwei Jahre vorher von einem Raubzug auf mexikanischem Boden nicht mehr zurück gekehrt. Vor allem besitzt Siki eine Gabe, die sie zunächst selbst nicht wahrhaben will: sie sieht Ereignisse der Vergangenheit und Zukunft.
Siki erhält vom Stamm die Erlaubnis, Kriegerin zu werden, was den unbändigen Zorn von Keste heraufbeschwört, einem unbändigen und ehrgeizigen jungen Apachen, der sich ebenfalls in der Ausbildung zum Krieger befand. Sein Vorwurf, dass ihr Vater ein Verräter gewesen sei, trifft sie hart und beginnt sie zunehmend zu verunsichern.
Golakha erkennt die seherischen Fähigkeiten Sikis und zieht sie bei der Ausbildung und den Unternehmungen immer enger an sich heran. Die Apachen ziehen in Krieg gegen die mexikanischen Soldaten und rächen die Ermordung ihrer Familien. Doch der erhoffte Frieden kehrt nicht ein und Siki wird von einer ihr unbekannten Vergangenheit eingeholt.
Tanya Landmans Roman Apache stellt eine "gegenderte" und auf den Stand der Zeit gebrachte Version von Karl Mays Winnetou dar, und das im besten Sinn des Wortes. Wie Karl May lässt auch Landman die Welt der Apachen vor dem geistigen Auge des Lesers entstehen. Ganz ohne Pathos zeichnet sie ein Bild vom Leben der Ureinwohner Amerikas in all ihren Grautönen. Ihr Denken und Ehrgefühl werden in starkem Kontrast zu den Grausamkeiten der Mexikaner und Amerikaner gezeichnet.
Die Figuren und das Umfeld des Romans sind fiktiv und dennoch gelingt es Landsman Charaktere, Begebenheiten und Landschaften zu zeichnen, die überaus real wirken und die Leserinnen und Leser, aus dem Blickwinkel der jungen Apachenkriegerin, das Unrecht noch einmal erleben lassen, das an den Ureinwohnern Amerikas begangen worden ist. Die Spirale der Gewalt dreht sich bis zum bitteren Ende.
Apache ist aber nicht nur ein Buch über die Vergangenheit der Ureinwohner Amerikas sondern auch über die Suche nach den eigenen Wurzeln. Es stellt die Frage nach dem "Wer bin ich?" und "wo gehöre ich hin" aber auch nach dem eigenen Rollenbild, nach dem Umgang mit Schmerz und Verlust und nach dem Wesen von Zuneigung und Hass.
Tanya Landman ist mit ihrem überaus empfehlenswerten Roman Apache ein beeindruckendes Stück Jugendliteratur gelungen, das Einen nicht gleichgültig lässt. Es macht betroffen, weil sich die Vergangenheit nicht verändern oder ungeschehen machen lässt, es macht sensibel, weil die Ungerechtigkeiten nicht Vergangenheit sind.
Tanya Landman, Apache. Übers. Birgit Schmitz, ab 14 Jahren
Hamburg: Carlsen-Verlag 2010, 272 Seiten, 15,40 EUR, ISBN 978-3-551-58212-6
Weiterführende Links:
Carlsen-Verlag: Tanya Landman, Apache
Homepage: Tanya Landman
Andreas Markt-Huter, 15-03-2010