Megan McCafferty, Erste Male
Jessica Darling leidet extrem darunter, dass ihre allerbeste Freundin Hope weggezogen ist. Nun schreibt sie alles, was sie bewegt, in ihr Tagebuch, weil sie niemanden mehr hat, der Hope ersetzten könnte, niemanden, der sie wirklich versteht.
Und die Liste der Dinge, die Jessica unter die Haut gehen, liest sich wie die Hitparade der Teenagerprobleme - aber sie werden in einer besonders humorvollen und unverblümten Weise erzählt.
Jessica Darling ist die Protagonistin dieser neuen Reihe, wobei auch der zweite Band mit dem Titel "Zweite Versuche" bereits auf dem deutschen Buchmarkt erschienen ist. Jessica besucht eine amerikanische High School und schlägt sich mit fast allen Problemen herum, die auf ein Mädchen im Teenageralter zukommen können.
Doch eines gleich vorweg: In diesem Buch wird kein Blatt vor den Mund genommen. Liebe, Sexualität und Freundschaft werden sehr detailliert behandelt, manch Erwachsenem würde es wohl die Schamesröte ins Gesicht zaubern, wenn er wüsste, zu welchem Buchgeschenk für die Tochter/Nichte/Enkelin er da gegriffen hat, noch dazu, wo sowohl die Aufmachung als auch der Klappentext betont harmlos wirken. Das Einzige, was in diesem Buch jedoch nicht thematisiert wird, ist Jessicas "Erstes Mal", denn obwohl der Titel dies vermuten ließe, ist die Hauptfigur, im Gegensatz zum Großteil ihrer Kolleginnen, auch am Ende der Geschichte noch Jungfrau.
Die Geschichte ist in Form von Tagebuchaufzeichnungen verfasst, zusätzlich finden sich E-Mails an ihre Seelenverwandte Hope, die die Schule vor kurzem verlassen hat. Da Jessica plötzlich ohne beste Freundin dasteht, bleibt ihr nichts anderes übrig, als sich mit dem "Club der Ahnungslosen" abzugeben, wobei es sich um eine Gruppe von Mädchen handelt, die sehr oberflächlich dargestellt werden und eben völlig ahnungslos sind, was Jessicas und Hopes wahre Meinung über sie ist.
Jessica befindet sich gerade in einer besonders schwierigen Phase ihres Jugendlichendaseins. Ihre Mutter und ihre Schwester, die Jessica oft fremd erscheinen, sind vollauf mit der bevorstehenden Hochzeit der Zweitgenannten beschäftigt. Ihr Vater hat nur Interesse an ihr, wenn es um das Lauftalent seiner Tochter geht. Der ganze Stress, der Jessi momentan belastet, führt dazu, dass ihre Tage ausbleiben, was bis zum Ende der Geschichte auch so bleibt und Jessica auch immer wieder Kopfzerbrechen bereitet, denn sie hat das Gefühl, als Frau nicht mehr zu funktionieren. Mit dem männlichen Geschlecht hat sie auch nicht besonders viel Glück, ihren glühenden Verehrer Scott findet sich nur langweilig, ihr Schwarm Paul outet sich im Verlauf der Geschichte als homosexuell. Und der Club der Ahnungslosen - nun ja, dabei handelt es sich nur um eine Zweckgemeinschaft.
Eines Tages kommt eine neue Schülerin an die High School - die weltgewandte Mrs. Hyacinth Wallace, kurz "Hy" genannt. Dieses Mädchen scheint zu Beginn als neue beste Freundin für Jessica zu taugen, doch bald arrangiert sich diese mit dem "Club der Ahnungslosen" und führt ihnen allen vor Augen, welch hinterwäldlerischen Lebensstil sie pflegen, wo Hy sich doch auf dem Parkett der nobelsten Clubs wie zu Hause fühlt. Im Verlauf der Geschichte kommt jedoch heraus, dass besagte Hy nur aus Recherchegründen vor Ort war und nun ein Buch mit dem Titel "Lollipop-Lolitas" als gefeierte Jungautorin veröffentlicht hat. Das bedeutet, die Mädchen wurden von ihr gemein an der Nase herumgeführt und aufs Übelste vorgeführt.
Eine weitere wichtige Figur ist Marcus, ebenfalls ein Mitschüler. Zu Beginn wird er als kiffender Outcast dargestellt, doch Jessica bemerkt irritiert, dass sie sich gerade für diesen Jungen immer mehr zu interessieren beginnt. Sie führt nächtelang Telefonate mit ihm, er scheint sie jedoch nur als platonische Freundin interessant zu finden.
Die Story gipfelt darin, dass Jessica Darling in einem Leitartikel für die Schülerzeitung nicht nur über die hintertriebene Hy schreibt, sondern auf die Falschheit in den eigenen Reihen hinweist. Somit gibt sie auch preis, wie sie zum "Club der Ahnungslosen" steht. Auf Marcus´ Initiative hin räumt sie auf mit Oberflächlichkeiten und Pseudofreundschaften. Eine Weile ist Jessica nun die Ausgestoßene, doch gegen Ende des Buches glätten sich die Wogen und es werden neue Freundschaften - auf dem Boden neu gewonnener Ehrlichkeit - geknüpft.
Die zarten Bande, die sie mit Marcus verbinden, werden bis zum Ende des Buches hin zwar immer enger, doch es kommt zu einem Konflikt und alles bleibt offen. Die Geschichte endet damit, dass Hopes lang ersehnter Besuch bei Jessica kurz bevor steht.
Ich persönlich finde die Darstellung der Gefühlswelt der Teenager äußerst gut gelungen, die Irrungen und Wirrungen des Teenagerdaseins wirken sehr realistisch. Es gibt keine Superhelden, keine magischen Tricks, wenig Stereotypen. Doch es gibt eine Suche nach dem eigenen Ich, nach dem persönlichen Weg inmitten einer Gruppe Gleichaltriger sowie eine Auseinandersetzung mit Werten und Grenzen, die mitunter auch überschritten werden.
Die Sprache ist sicherlich altersadäquat, ohne dass zu dick aufgetragen wird, was bei Jugendbüchern ja leider immer wieder einmal der Fall ist. Wer zu diesem Buch greift, sollte sich nur im Klaren sein, dass es darin wirklich "zur Sache" geht, dass es sich dabei keineswegs um eine neue, harmlose "Mädchenbücher"-Reihe handelt. Daher würde ich bei der Altersempfehlung eher zu "15+" als zum Hauptschulalter tendieren.
Megan McCafferty, Erste Male. Bd. 1, Übers. Ingo Herzke, ab 14 Jahren
Hamburg: Carlsen Verlag 2010, 368 Seiten, 15,40 EUR, ISBN 978-3-551-58204-1
Weiterführende Links:
Carlsen-Verlag: Megan McCafferty, Erste Male
Andrea Zeindl, 06-04-2010