Carolin Philipps, Wofür die Worte fehlen

Eine erschütternde Geschichte über einen Jungen, der von seinem Vater sexuell missbraucht wird und sein Schweigen schließlich auf seine Art bricht. Die Lektüre dieses Buches lässt niemanden kalt.

Der fünfzehnjährige Kristian lebt in einer "normalen' Patchworkfamilie, sein Vater ist Handwerker und sehr großzügig zu seinem Sohn, die Mutter pendelt zwischen der Slowakei, wo sie ihre kranke Mutter betreut und ihrer Familie hin und her. Kristians Schulnoten sind durchschnittlich, nur seine immer wieder kehrenden akuten Bauchschmerzen fallen den Lehrern und Mitschülern auf. Psychologen, Ärzte und Beratungslehrer stehen vor einem Rätsel, auch weil Kristian nicht über den Grund seiner Probleme sprechen kann und will: Er wird regelmäßig von seinem eigenen Vater sexuell missbraucht.

Aber Kristian findet einen Weg, die furchtbaren Dinge zu "verarbeiten', die sein Vater ihm antut. Als begeisterter und begabter Manga-Zeichner zeichnet er seine Geschichte, und der schwarze Ritter, der den Jungen Masaru quält, ist niemand anderes als sein Vater. Nur seine Deutschlehrerin und eine Mitschülerin aus dem Mangakurs ahnen, dass Kristian eine schlimme Zeit durchlebt. Und erst als Kristian sieht, wie sich sein Vater an seinem kleinen Cousin vergreift, handelt er. Er bricht sein Schweigen auf seine eigene Art.

Die Welt, in der wie leben, ist eine Welt, in der Worte eine große Bedeutung haben. Ohne Worte funktioniert ein Miteinander kaum. Alles drücken wir über Worte aus. Und dann gibt es diese Momente, die jeder schon einmal erlebt hat, wo uns die Worte fehlen, weil das, was wir erleben, zu großartig ist, um es in Worte zu fassen oder weil es zu furchtbar ist.

In ihrem Nachwort bringt Carolin Philipps ihr Thema auf den Punkt: Das Unaussprechliche, die Sprachlosigkeit über eine Grausamkeit, von der viele Jugendliche und Erwachsene nichts lesen oder hören wollen. Aber gerade deshalb ist es notwendig, über sexuelle Gewalt an Kindern zu schreiben. Die Autorin schafft es, den Leser bis ins Innerste zu erschüttern. Mit steigendem Entsetzen liest man Kristians Geschichte - die Hauptfigur gibt es wirklich -  man ist tief berührt und manchmal auch schockiert und am Ende sieht man, dass es nur einen Weg aus diesem Teufelskreis gibt: Sich anderen mitteilen - egal auf welche Weise, ob mit Worten oder durch Bilder.

Carolin Philipps verarbeitet in ihrem Text aber nicht nur das Thema "Sexueller Missbrauch von Kindern' sondern sie packt andere "Problemthemen' wie zum Beispiel Mobbing, Scheidung und Krankheit in ihren Text. Dabei ist ihre Sprache einfach und verständlich, über weite Strecken auch sehr drastisch, was eine gründliche Vor- und Nachbereitung für den Unterrichtseinsatz unumgänglich macht.

Carolin Philipps, Wofür die Worte fehlen, ab 14 Jahren
Wien: Ueberreuter-Verlag 2010, 126 Seiten, 10,23 EUR, ISBN 978-3-8000-5533-3

Carolin Philipps wurde 1954 in Meppen geboren. Sie hat Geschichte und Anglistik in Hannover und Bonn studiert, ist mit einem Vietnamesen verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne. Im Zentrum ihrer Geschichten stehen aktuelle politische Themen und Menschen, die anders sind als die Norm. Quelle: www.ueberreuter.at, www.carolinphilipps.de
 

Weiterführende Links:
Homepage: Carolin Philipps
Uebereuter-Verlag: Carolin Philipps, Wofür die Worte fehlen

Georg Gutternig, 06-07-2010