Ötzi - die Bedeutung des Fundes und die Ausstellung im Südtiroler Archäologiemuseum in Bozen

Das am 28. März 1998 eröffnete Südtiroler Archäologiemuseum in Bozen-Südtirol dokumentiert auf 1.200 m² die Ur- und Frühgeschichte Südtirols vom Ende der letzten Eiszeit (15.000 v. Chr.) bis zur Zeit Karls des Großen (um 800 n. Chr.). Eingefügt in dem historischen Rahmen nimmt der Mann aus dem Eis und seine Beifunde eine zentrale Stellung im Ausstellungsbereich ein.


Intro-Bild (Thumbnail): Reconstruction by Kennis
© Südtiroler Archäologiemuseum Foto Ochsenreiter

Das Besondere des 1991 am Gletscher zutage getretenen Fundkomplexes besteht darin, dass die Auffindung einer Mumie mit vollständiger Kleidung und Ausrüstung Einblick in die Tracht und die technischen Fähigkeiten der beginnenden Kupferzeit (3300 bis 3100 v. Chr.) gibt. Bekleidungsreste waren zuvor lediglich in relativ fragmentiertem Zustand aus den Pfahlbauten des zirkumalpinen Raumes bekannt, wobei es sich in der Regel um gewebte oder geknüpfte pflanzliche Fasern handelt. Tierische Materialien, wie Felle etc. haben sich dort nicht erhalten. Daher bietet der Fundkomplex Mann aus dem Eis eine Momentaufnahme eines kupferzeitlichen Mannes, der sich im Hochgebirge bewegte. Die Bekleidung setzt sich aus einer Mütze, einem Fellmantel, einem Paar Beinkleider und einem Lendenschurz aus Leder sowie einem Paar gefütterter Schuhe zusammen. Zu seiner Ausrüstung gehören ein nicht vollendeter Bogen, ein Köcher mit Pfeilen und Pfeilschäften, ein Beil mit Kupferklinge, ein Dolch mit Silexklinge (Feuerstein), ein Retuscheur, Birkenrindengefäße, eine Kraxe und diverse Reservematerialien sowie Knochenspitzen.

Die Präsentation des Mannes aus dem Eis im Museum:
Der Tatsache bewusst, dass es sich um einen archäologischen Fund handelt, dessen Zurschaustellung auch zu ethischen Diskussionen führt, wurde auf eine sehr zurückhaltende Form der Präsentation großer Wert gelegt.


Vitrinenfenster zur Kühlzelle der Mumie vom Hauslabjoch (Bild © Südtiroler Archäologiemuseum)

Heute präsentiert sich die Abteilung Mann aus dem Eis alssehr sachlich gehalten; Grafik und Architektur stehen in keiner Konkurrenz zum Objekt. Die verschiedenen Aspekte, wie etwa die Entdeckung, Bergung, Nachuntersuchung oder medizinische Forschungen werden zusätzlich zu den Schautafeln durch Videoprojektionen illustriert.

Durch die Unterteilung des Schauraumes entscheidet der Museumsbesucher selbst, ob er sich die Mumie ansehen möchte oder nicht. Das Fenster, durch welches man einen Blick auf die Mumie werfen kann, steht nicht im Mittelpunkt des Geschehens, sondern ist in einen optisch abgegrenzten Raum eingebunden. Die 40 x 30 cm große Wandöffnung erlaubt es dem Museumsbesucher, einen Blick in die Kühlzelle zu werfen, in der die Mumie auf einer Präzisionswaage liegend, bei - 6° C und 98% Luftfeuchtigkeit konserviert wird. Ein größeres Fenster würde zu einem unkontrollierbar hohen Energieverlust im Inneren der Zelle führen.

Hinter der Metallwand, die im Ausstellungsraum sichtbar ist, befindet sich eine komplexe Anlage, die sich aus zwei Kühlkammern mit jeweils unabhängigen Systemen, einem Untersuchungsraum und einem vorgelagerten Dekontaminierungsraum zusammensetzt. In allen Räumen sind Sterilität und Luftfilterung garantiert. Für weitere wissenschaftliche Untersuchungen steht ein kleines Labor zur Verfügung. Eine EDV-Station registriert die Messwerte (Druck, Temperatur, relative Luftfeuchtigkeit, Gewicht der Mumie), die von den am Körper der Mumie bzw. in der Kühlzelle montierten Sonden geliefert werden und löst automatisch Alarm aus, sollten sich Veränderungen zeigen. Durch dieses Alarm- und Sicherheitssystem können die hauseigenen spezialisierten Techniker im Notfall sofort reagieren. Der Bozner Pathologe Dr. med. Eduard Egarter Vigl ist für die Konservierung der Mumie verantwortlich.

Im Gegensatz zu den anderen Abteilungen des Museums ist die Etage, die dem Komplex Mann aus dem Eis gewidmet ist, abgedunkelt. Diese Maßnahme dient weniger der Inszenierung, sondern ist vielmehr eine konservatorische Notwendigkeit, die sich aus der Lichtempfindlichkeit der Objekte ergibt. Die Beifunde sind in klimatisierten Spezialvitrinen in Stickstoff bei einer Temperatur von 18 °C gelagert. Optische Glasfiberlampen beleuchten die Objekte bei 50 Lux.

Die Faszination, die von der ältesten Eismumie der Welt ausgeht, ist auch heute, 20 Jahre nach seiner Wiederentdeckung noch immer ungebrochen. Dabei ist es nach den Äußerungen der Museumsbesucher nicht nur der Blick Aug in Auge mit dem Vorfahren aus der Kupferzeit, der sich in das Gedächtnis einprägt. Es ist vor allem auch die erstmals konservierte Ausrüstung eines Kupferzeitmenschen, die fasziniert: mit dem Mann eingefroren haben seine Kleider und die vielen Gerätschaften des täglichen Gebrauchs die Jahrtausende überdauert. Mit Sorgfalt vom Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz restauriert und rekonstruiert, lassen z.B. die Thermoschuhe, die Rucksacktrage und der Dolch samt Scheide erkennen, wie zweckmäßig die Ausrüstung des Mannes aus dem Eis war und es ist verblüffend, wie vergleichsweise wenig Abstand zwischen der neolithischen Ausrüstung und dem heutigen Ausrüstungsstandard eines Bergwanderers liegt. Lediglich die Materialien unterlagen einer tiefgreifenden Modernisierung. Archäotechniker aus ganz Europa haben die Beifunde des Mannes aus dem Eis wiederholte Male nachgebaut und getestet. Sie waren erstaunt über die Funktionalität von Bogen und Pfeilen, von der Axt, mit der man tatsächlich Bäume fällen kann und von dem Zunderschwamm aus dem Gürtel von Ötzi, der mit Pyritknollen bei Wind und Wetter sofort ein wärmendes Feuer entfacht.

Forschung
Erste Befunde stellten bereits fest, dass der für damalige Verhältnisse sehr alte Mann von ca. 46 Jahren an altersbedingten arthritischen Schmerzen gelitten haben muss. Dagegen ließ er sich mit Tätowierungen an den neuralgischen Punkten kurieren. Zudem quälten ihn Peitschenwürmer im Verdauungstrakt.

Aufgrund von Röntgenaufnahmen und einer Computertomografie konnte im Jahr 2001 in der linken Schulter von Ötzi eine Pfeilspitze nachgewiesen werden. Nachdem der Schusskanal zu seinen Lebzeiten nicht mehr verheilt war und eine lebenswichtige Arterie verletzt hatte, nehmen die Wissenschaftler an, dass Ötzi durch den Pfeilschuss tödlich verletzt wurde und innerhalb kurzer Zeit verblutete. Hinzu kamen 2007 neue Erkenntnisse über ein Schädel-Hirn-Trauma vor seinem Tod. Diese Befunde trugen dazu bei, die persönliche Tragödie des Mannes aus dem Eis zu erhellen, werfen aber gleichzeitig weitere Fragen nach der Ursache für seinen gewaltsamen Tod auf.

Im Sommer 2001, zehn Jahre nach der Auffindung der Mumie, wurden der Mann aus dem Eis in Bozen von einem Forscherteam kurzzeitig kontrolliert aufgetaut, um verschiedene Gewebsproben für weitere wissenschaftliche Untersuchungen zu entnehmen. Diese Proben wurden an unabhängige Institute zur Analyse weitergegeben. Einige Ergebnisse dieser Untersuchungen sind DNA-Untersuchungen zum Inhalt des Verdauungstrakts, nach denen Ötzi einige Stunden vor seinem Tod Rotwildfleisch, Steinbockfleisch und Einkorn verzehrte, vermutlich als Brei oder Brot. An dem aufgetauten Leichnam konnte darüber hinaus eine bis dahin unbekannte nicht verheilte Schnittverletzung an der rechten Hand nachgewiesen werden, die auf einen Nahkampf Stunden vor seinem Tod hindeutet.

Anhand der vorgefundenen Mineralienkomposition in den Zähnen von Ötzi kann man seinen Geburtsort näher eingrenzen. Die bisherigen Ergebnisse deuten auf zwei Aufenthaltsorte des Mannes auf der Alpensüdseite hin: auf das Eisacktal und auf den Vinschgau (mit der Fundstelle am Tisenjoch).

Die Forschung am Mann aus dem Eis koordiniert seit Juli 2007 das neu gegründete Institut für Mumien und den Iceman am Südtiroler Forschungszentrum Europäischen Akademie EURAC mit Sitz in Bozen. Leiter des Instituts ist der Anthropologe PD Dr. Albert Zink. Internetadresse: http://www.eurac.edu/

Noch heute erreichen das Museum und das Forschungsinstitut zahlreiche Forschungsanfragen zu den verschiedensten wissenschaftlichen Fragestellungen, durch die sich Archäologen, Biologen, Anthropologen und Mediziner weiteren Einblick in die Entwicklung oder Pathologien eines unserer Vorfahren erwarten.

Über den folgenden Link gelangen Sie zur Homepage des Südtiroler Archäologiemuseums in Bozen: Klick!

 

 



Quelle oder Autor/-in: Südtiroler Archäologiemuseum Bozen (Raimund Senn)

Redaktionsbereiche