Das Literaturhaus am Inn. Teil 1

Das Literaturhaus am Inn feierte heuer seinen 10. Geburtstag. 1997 öffnete das Literaturhaus am Inn erstmals seine Pforten und seither veranstaltet die Einrichtung des Forschungsinstituts Brenner-Archiv? zahlreiche Lesungen, Buchpräsentationen und Diskussionen zur Literatur und ist als Ansprechpartner aus Bereich der Literatur nicht mehr weg zu denken.

Es ist zehn Jahre her seit das Literaturhaus am Inn erstmals seine Pforten öffnete. Mittlerweile konnte es sich als als fixer Bestandteil des Tiroler Literaturbetriebes etablieren. Grund genug, den Beitrag über die Kultureinrichtung und das Interview mit der derzeitigen Leitung des Literaturhauses neuerlich zu präsentieren.


 

Zu Beginn waren die finanziellen Mittel der neu geschaffenen Einrichtung noch eher knapp bemessen, sodass 1997 selbst die neu gekauften Stühle symbolisch weiterverkauft werden mussten (vgl. Literaturhaus am Inn: Editiorial September / Oktober 1997).

Mittlerweile ermöglicht es eine gesicherte finanzielle Basis dem Literaturhaus, das Veranstaltungsprogramm nach thematischen Schwerpunkten zu planen und sich dadurch gegenüber anderen Literaturveranstaltern abzuheben. Zielpublikum des Literaturhauses sind Leserinnen und Leser, die anspruchsvolle Literatur bevorzugen und sich gerne auf den Veranstaltungen mit Hintergrundinformationen zu den präsentierten Literaturen und AutorInnen versorgen lassen.

Ein programmatischer Schwerpunkt war von Beginn an die Tiroler Gegenwartsliteratur. So hieß es 1997 in einer Absichtserklärung des Literaturhauses am Inn:

 

[...] Es will ein Begegnungsort und ein offenes Forum für die Autorinnen und Autoren Tirols sein, auch eine Sammel- und Informationsstelle über (und für) die hiesige Literatur und ihre Verbindung zu anderen Literaturen. Es will den Austausch und die Zusammenarbeit derer anregen, die hierzulande Literatur vermitteln.

Geplant sind neben Lesungen auch regelmäßige Auftragsarbeiten, Workshops für Schreibende, Literaturausstellungen, Produktion von Vertonungen literarischer Werke, Präsentationen zu den Schnittstellen zwischen Literatur und bildender Kunst/ Musik, Inszenierungen, Symposien und Arbeitskreise zu relevanten Gegenwartsthemen und anderes.

Ein Kontakt-Netz und eine Informationsstelle für Schreibende und Literaturinteressierte sollen aufgebaut werden, Dokumentationen zum literarischen Geschehen sollen erarbeitet und öffentlich zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus wird die Einrichtung einer Lektoratsstelle ins Auge gefaßt, die Manuskripte von Autorinnen und Autoren betreut und hinsichtlich der Verlagskontakte Hilfestellungen leistet. [...]
Literaturhaus am Inn: Editiorial Mai / Juni 1997

Lesen in Tirol hat ein Jahr vor dem 10-jährigen Jubiläum das Literaturhaus am Inn besucht und Dr. Anna Rottensteiner, die Leiterin des Literaturhauses am Inn und Mag. Kristin Jenny dessen Geschäftsführerin interviewt.

 

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Das Literaturhaus am Inn. Teil 1

 

Lesen in Tirol: Was ist das Literaturhaus, von wem wird es getragen und wer steht dahinter?

Anna Rottensteiner: Das Literaturhaus ist ein Veranstaltungsort, an dem regelmäßig Lesungen und Veranstaltungen zu Büchern sowie Diskussionen zwischen WissenschaftlerInnen und AutorInnen stattfinden. Rechtlicher Träger des Literaturhauses ist das Forschungsinstitut Brenner-Archiv, dem das Literaturhaus angegliedert ist, das aber autonom von einem Team geführt wird. Unser Team besteht aus vier Frauen, die im Stundenausmaß von 10 - 25 Stunden im Literaturhaus arbeiten.

Kristin Jenny: Wir sind in Räumlichkeiten der Universität untergebracht und werden aus den Kulturbudgets des Bundes, des Landes Tirol und der Stadt Innsbruck gefördert.

Lesen in Tirol: Seit wann gibt es das Literaturhaus am Inn und was sind seine Aufgaben?

Kristin Jenny: Das Literaturhaus am Inn besteht seit 1997, nächstes Jahr feiern wir unser 10-jähriges Jubiläum.

Anna Rottensteiner: Von den Aufgaben her sehe ich das Literaturhaus als einen Ort, an dem der Primärdiskurs gefördert wird, einen Ort also, an dem die AutorInnen selbst so stark wie möglich zu Wort kommen sollen.


Das Literaturhaus ist ein Ort, an dem die Autorinnen und Autoren selbst so stark wie möglich zu Wort kommen sollen. Foto: Markt-Huter

 

Wir versuchen, dieses Ziel auf verschiedenen Wegen umzusetzen. Einerseits sind uns die Tiroler AutorInnen ein großes Anliegen. Wir präsentieren regelmäßig Neuerscheinungen  aus dem Tiroler Raum, wobei auch Südtirol berücksichtigt wird. Wir vergeben in diesem Bereich Auftragsarbeiten an Autorinnen und Autoren, meistens zu bestimmten Themen und versuchen dabei, über die einzelnen Disziplinen und Kunstsparten hinauszugehen. Demnächst soll ein Stück des Südtiroler Autors Toni Bernhard von der Schauspielschule von Walters Sachers bearbeitet und aufgeführt werden.

Es ist natürlich auch wichtig, über die Grenzen Tirols hinauszuschauen und auch der österreichischen und deutschsprachigen Literatur Platz zu geben. Hier versuchen wir uns von den Buchhandlungen dadurch abzugrenzen, dass wir unsere Veranstaltungen thematisch gliedern. Dazu bringen wir in unseren Veranstaltungen AutorInnen zusammen, die an einem gleichen Thema interessiert sind oder wir setzen einen Schwerpunkt nach Gattungen fest, in dem wir z.B. einen Lyrikabend gestalten. Für dieses Jahr planen wir unseren Blick noch weiter zu fassen und Literatur vorzustellen, die bei uns nicht sehr stark rezipiert wird, d.h. konkret: wir versuchen AutorInnen aus anderen Sprachräumen und literarischen Räumen nach Innsbruck zu holen.

Kristin Jenny: Einer der Schwerpunkte in diesem Jahr wird die Literatur aus Osteuropa sein. So stellen wir z.B. im April bulgarische AutorInnen vor, für Juni planen wir einen Schwerpunkt mit Literatur aus Ungarn.

Lesen in Tirol: Wie hat sich das Literaturhaus am Inn seit seinen Anfängen  entwickelt?

Anna Rottensteiner: Das Literaturhaus hat sich mittlerweile als Einrichtung etablieren können, die nicht mehr ständig um ihre finanzielle Förderung kämpfen muss. Am Anfang, als Erika Wimmer und Ursula Schneider am Brenner-Archiv das Literaturhaus am Inn gegründet hatten, musste um die finanzielle Absicherung noch gekämpft werden. Doch der Kampf hat sich gelohnt. Grundauftrag und Grundgedanke des Literaturhauses am Inn sind dieselben geblieben, ebenso wie der Ehrgeiz, niemals "stehenzubleiben".

Kristin Jenny: In den letzten Jahren ist eine Entwicklung des Programms hin zu Schwerpunkten möglich geworden. Es können nun Themenkreise erarbeitet und zu den Themen die einzelnen SchriftstellerInnen eingeladen werden. Auch dadurch ist es uns gelungen, ein eigenes Profil zu entwickeln und uns von den anderen Literaturveranstaltern zu unterscheiden.

Anna Rottensteiner: Ich sehe die "Konkurrenz" grundsätzlich als sehr positiv und als Ansporn, ein eigenes Profil zu entwickeln. In Innsbruck gibt es ein ganz konzentriertes literarisches Leben, wo es zu bestimmten Zeiten wie im Herbst möglich ist, jeden Tag eine Lesung zu besuchen.

Zielgruppe - Kunden

Lesen in Tirol: Wen will das Literaturhaus am Inn ansprechen. Was ist sein Zielpublikum?

Anna Rottensteiner: Bei uns findet eine bewusste Auseinandersetzung mit Literatur statt. So steht z.B. das Autorengespräch nach einer Lesung im Zentrum, wo die Besucher die Möglichkeit erhalten, Fragen zu stellen, in denen sich das Interesse an dem widerspiegelt, was der Autor zu sagen hat und wie er sich damit auseinander setzt.


BesucherInnen erhalten im Literaturhaus detaillierte Hintergrundinformationen zu den einzelnen Autorengesprächen.
Foto: Literaturhaus

 

Aus diesem Grund schätzen unsere BesucherInnen Themenschwerpunkte und Länderschwerpunkte besonders, weil sie sich dort ein umfassenderes Bild machen können, wie sich AutorInnen einem Thema nähern

Kristin Jenny: Ich würde unsere Zielgruppe auch als anspruchsvolles Literatur-interessiertes Publikum? verstehen, das eine tiefere Auseinandersetzung mit der Literatur verlangt.

Lesen in Tirol: Wie definieren Sie anspruchsvolle Literatur, mit der sich das Literaturhaus in Veranstaltungen auseinandersetzen will?

Anna Rottensteiner: Ich sehe anspruchsvolle Literatur als Literatur, die keine Antworten gibt, sondern Fragen stellt und mich als Leserin fordert, so dass ich selbst Verbindungen herstellen kann und muss. D.h., es ist nicht alles vorgegeben. Mir fällt dazu das Buch von Ilse Aichinger "Unglaubwürdige Reisen" ein.

Dabei handelt es sich um sehr kurze Texte, in denen sie die Zeitebenen vermischt, Texte die sie am Kaffeehaustisch schreibt und sich von der Umgebung inspirieren lässt. Darin geht sie bis in ihre Kindheit in Wien zurück, wo sie als jüdisches Mädchen gelebt hat. Die Leser sind gefordert, die Welt in diesem kleinen Text auseinanderzunehmen und für sich wieder neu zusammenzufügen.

Kristin Jenny: Anspruchsvolle Literatur ist also Literatur, die zum Weiterdenken anregt. "Ich habe bei der Lesung zugehört oder den Roman gelesen und es hat mir gefallen." - dabei sollte es nicht bleiben. Ich denke mir, dass mich besondere Bücher in meinem Leben begleiten und so soll vielleicht auch ein Abend im Literaturhaus die Menschen begleiten.

Anna Rottensteiner: Als wesentlich für anspruchsvolle Literatur verstehe ich auch die formale Durchdringung des Themas. Das meine ich aber nicht in einem germanistischen Sinn, sondern mehr die Form der Weltbetrachtung oder der Reflexion über die Welt. Wichtig scheint mir, dass Inhalt und Form in einem "spannenden" Verhältnis zueinander stehen. Das klingt zwar sehr ernst, dabei kann es sich selbstverständlich aber auch um sehr witzige "Verhältnisse"  handeln.

 

>> Im Brennpunkt: Das Literaturhaus am Inn. Teil 2

 

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Andreas Markt-Huter, 27-02-2006

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