BIFIE: frühkindliche Sprachstandsfeststellung (Studie online verfügbar)

Die vorliegende Broschüre beschreibt ausführlich die frühkindliche Sprachstandsfeststellung als Grundlage für die Sprachfördermaßnahmen. Die Publikation gibt Einblick in die Vorgehensweise und die Ziele der Initiative und beschreibt den theoretischen Hintergrund sowie die Beobachtungsbögen selbst. Weiters werden die Ergebnisse der ersten Sprachstandsbeobachtung aus dem Frühjahr 2008 präsentiert.

Die Ergebnisse: Das Wesentliche auf einen Blick

Die Sprachstandsfeststellung zeigt, dass drei Viertel der 5-jährigen Kinder (76 %) ein altersadäquates Sprachniveau in Deutsch aufweisen und keine spezielle Förderung im sprachlichen Bereich benötigen. Jedes vierte Kind (23 %) hat hingegen 15 Monate vor Schuleintritt sprachlichen Förderbedarf und braucht spezielle Unterstützung bei der Sprachaneignung.

Unterscheidet man die Kindergartenkinder nach ihrer Erstsprache, so ergibt sich folgendes Bild: 10 % der Kinder mit Deutsch als Erstsprache haben Förderbedarf, von den Kindern mit Deutsch als Zweitsprache brauchen 59 % Unterstützung bei der Aneignung der deutschen Sprache. Das bedeutet umgekehrt, dass immerhin 41 % der mehrsprachig aufwachsenden Kinder bereits ausreichend gut Deutsch sprechen.

Die Situation für Kinder ohne Kindergartenplatz ist besonders problematisch: von ihnen braucht jedes zweite Kind intensive Förderung der Sprachkompetenz. Insbesondere Kinder mit Migrationshintergrund, die keinen Kindergarten besuchen, werden den sprachlichen Anforderungen in Deutsch nicht gerecht. 80 % von ihnen haben Förderbedarf im Deutschen, spezielle Fördermaßnahmen im Jahr vor Schuleintritt könnten ihre Startbedingungen verbessern.

Darüber hinaus verdeutlicht die Studie, dass Kinder vom mehrjährigen Besuch des Kindergartens stark profitieren: Kinder, die den Kindergarten längere Zeit besuchen, weisen eine höhere Sprachkompetenz auf. Im Speziellen trifft das auf Kinder mit Deutsch als Zweitsprache zu. Während von den Migrantenkindern, die den Kindergarten das erste Jahr besuchen, nur 23 % bereits die erwünschte Sprachkompetenz in Deutsch zeigen, sind es unter den Migrantenkindern, die den Kindergarten schon länger besuchen, fast 50 %. Besonders positiv ist die Reduktion des Anteils an besonders schwachen Kindern, die maximal 10 von insgesamt 30 Punkten erreichen: Dieser Anteil verringert sich durch den längeren Kindergartenbesuch von 46 % auf 18 %. 

Aus den Ergebnissen der Sprachstandsfeststellung lassen sich folgende Forderungen ableiten:

  • Initiierung von Sprachfördermaßnahmen
  • Weiterführung von Aus- und Fortbildung mit dem Schwerpunkt Sprache
  • Verbesserung der Rahmenbedingungen im Kindergarten
  • Reformierung der Ausbildung zur Kindergartenpädagogin
  • Verpflichtung zum mehrjährigen Kindergartenbesuch: Die Verpflichtung für alle 5-Jährigen ist ein erster Schritt, mittelfristig sollten alle Kinder zwei Jahre den Kindergarten besuchen, um ihnen faire Bedingungen beim Schuleintritt zu ermöglichen.

Das Projekt: Das Wesentliche auf einen Blick
 

  • Grundlage der Sprachstandsfeststellung ist die so genannte 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern; darin verpflichtet sich der Bund ein geeignetes Verfahren zur Sprachstandsfeststellung zu entwickeln und den Ländern bereit zu stellen.
  • Im September 2007 erging vom Unterrichtsministerium (BMUKK) der Auftrag an dasProjektzentrum für Vergleichende Bildungsforschung der Universität Salzburg (mit 1. Jänner 2008 ins BIFIE integriert), Instrumente zur Sprachstandsfeststellung zu entwickeln.
  • Daraufhin entwickelte das ZVB/BIFIE sprachwissenschaftlich und kindergartenpädagogisch fundierte Instrumente: den BESK 4-5 (Beobachtungsbogen zur Erfassung der Sprachkompetenz 4- bis 5-Jähriger in Bildungs- und Betreuungseinrichtungen) und den SSFB 4-5 (Sprachstandsfeststellungsbogen für 4- bis 5-Jährige ohne institutionelle Bildung und Betreuung im Rahmen eines halbtägigen Schnuppertags im Kindergarten); die beiden Beobachtungsbögen sind über die BIFIE-Website (http://www.bifie.at/sprachstandsfeststellung-im-kindergarten [2]) abrufbar.
  • Die Sprachstandsfeststellung soll gemäß der 15a-Vereinbarung 15 Monate vor Schuleintritt stattfinden; daraus ergibt sich, dass im Frühling jeweils jene Kinder in ihren sprachlichen Kompetenzen beurteilt werden, die im Herbst des Folgejahres in die Schule kommen; für Kinder, die im Herbst 2009 in die Schule kommen, fand die Erhebung im Mai 2008 statt; die Bundesländer Burgenland, Kärnten, Salzburg, Steiermark und Wien verwendeten dafür die oben erwähnten Instrumente (BESK 4-5, SSFB 4-5).
  • In Österreich besuchen 4½- bis 5½-jährige Kinder überwiegend (bundesweit 91 %) eine institutionelle Kinderbetreuungseinrichtung, ein Teil dieser Kinder (9 %) wird ausschließlich familiär betreut. Für beide Zielgruppen findet die Sprachstandsfeststellung im Kindergarten statt (bei den internen Kindern mit dem BESK 4-5 im Rahmen des pädagogischen Alltags, bei externen Kindern mit dem SSFB 4-5 im Rahmen eines halbtägigen Schnuppertags). Die Feststellung der sprachlichen Kompetenzen findet in Form einer Beobachtung durch Kindergartenpädagoginnen und -pädagogen statt und lässt sich gut in die Kindergartenarbeit integrieren.
  • Insgesamt liegen aus den fünf Bundesländern Daten von rund 25.000 Kindern vor; das entspricht einer Rücklaufquote von 63 %.


Quelle oder Autor/-in: www.bifie.at (Raimund Senn)

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