Lesen ist einfach cool - Der Leseclub im Gymnasium in der Sillgasse, Teil 2

Mehr als die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler zeigen wenig Freude am Lesen, wenn man den Schülerbefragungen beim PISA-Test Glauben schenken darf und ein Fünftel der getesteten Kinder, waren nicht in der Lage den Sinn eines Textes ausreichend zu verstehen. Umso erstaunlicher erscheint es, dass es an einem Innsbrucker Gymnasium einen Leseclub gibt, an dem derzeit knapp 10% aller Schülerinnen und Schüler teilnehmen.

Seit vier Jahren leitet nun Mag. Sybille Wimmer, neben ihrer Lehrtätigkeit auch den Leseclub. Aus den 20 Schülerinnen und Schülern der ersten Klassen zu Beginn teilnahmen, kommen mittlerweile mehr als 60 Kinder und Jugendliche aus allen Klassen der Unterstufe in den Leseclub. Aufgeteilt in die Gruppe der 1. und 2. Klasse sowie die Gruppe der 3. und 4. Klasse findet der Leseclub jeden Dienstagnachmittag in den Räumlichkeiten der Schulbibliothek statt, wobei sich die Gruppen wöchentlich abwechseln.

Lesen in Tirol hat den Leseclub im Gymnasium an der Sillgasse beim seinem letzten Zusammentreffen vor den Sommerferien 2009 besucht und die Leiterin des Leseclubs, Mag. Sybille Brunner zum Interview gebeten.

 

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Interview Teil 2

 

Lesen in Tirol: Welche Motive bewegen die Kinder am Leseclub teilzunehmen?

Sybille Wimmer: Ein wichtiges Motiv ist sicherlich, dass wir damit begonnen haben, die gelesenen Bücher auch filmisch umzusetzen. Das hat bei den SchülerInnen allgemeine Begeisterung ausgelöst. Meine Vorschläge, vielleicht einmal ein Hörspiel zu produzieren, sind bisher regelmäßig gescheitert: einen Film zu machen, ist eben in. Ich selbst interessiere mich offen gesagt auch mehr für den Film als für das Hörspiel.


Der Tag in den Bavaria Filmstudios bei München war für den Leseclub II des Gymnasiums-Realgymnasiums Sillgasse ein voller Erfolg. Foto: Sybille Wimmer

Um einen Film umzusetzen, sind sie bereit gewesen, sich mit bestimmten Fertigkeiten auseinander zu setzen, z.B. wie man ein Drehbuch schreibt. Es ist wirklich ganz erstaunlich, welche Mühe sich die Kinder bereit sind zu machen. Sie lesen, schreiben, tippen, lernen und spielen die Geschichten, wobei die Umsetzungen immer professioneller werden. Sie lernen immer mehr dazu und erfassen worauf sie achten müssen.

Es ist nun eines der Ziele unsere Arbeiten auch ins Internet zu stellen und ein Forum zu schaffen, damit sie nicht verloren gehen und auch die entsprechende Wertschätzung für ihre wirklich ausgezeichneten Arbeiten erhalten.

Lesen in Tirol: Sind die Altersgruppen gemischt oder nach Klassen und Alter getrennt?

Sybille Wimmer: Wir haben in unserm Leseclub vier Altersstufen, wobei jeweils die 1. und 2. Klassen und die 3. und 4. Klassen in je eine Gruppe zusammen gefasst sind. Diese Aufteilung macht natürlich Sinn, weil die älteren SchülerInnen sich für andere Bücher interessieren wie die jüngeren. Eines unserer Mädchen gruselt es z.B. bereits bei einem Kinderkrimi, der anderen wiederum noch viel zu wenig aufregend erscheint.

Während beim Lesen der Altersunterschied zwischen SchülerInnen aus den 1. und 4. Klassen zu groß ist, kann eine Zusammenarbeit aller Altersgruppen beim Verfilmen von Büchern durchaus Sinn machen. Hier können die Jüngeren einiges von ihren älteren MitschülerInnen lernen. Eine solche Zusammenarbeit hat im vergangenen Jahr bei unserer Filmproduktion zu Philip Pullmans Buch Der goldene Kompass wirklich gut funktioniert. Das Buch hat fast allen gut gefallen und die Großen haben den Kleineren viel beibringen können. Sie waren auch Vorbild, wenn es darum ging anzupacken. Ich fand es schön, zu sehen, dass sich die verschiedenen Altersgruppen gegenseitig akzeptieren, einander zuhören und ausreden lassen.


Manchmal sind sogar mehr Buben im Leseclub als Mädchen, was eigentlich sehr erstaunlich ist. Auch wenn es um die Auswahl der Lektüre geht, sehe ich keinen Unterschied zwischen dem Interesse von Buben und Mädchen. Foto Mark-Huter

Lesen in Tirol: Besuchen den Leseclub eigentlich mehr Mädchen als Buben?

Sybille Wimmer: Das Verhältnis hält sich bei uns durchschnittlich die Waage. Manchmal sind sogar mehr Buben im Leseclub als Mädchen, was eigentlich sehr erstaunlich ist. Auch wenn es um die Auswahl der Lektüre geht, sehe ich keinen Unterschied zwischen dem Interesse von Buben und Mädchen. Hier erlebe ich den Leseclub als durchaus homogen.

Die SchülerInnen wählen in ihren jeweiligen Gruppen immer gemeinsam ein Buch aus, wie zuletzt die Gruppe der 1. und 2. Klassen, die sich für das Buch Lee Raven von Zizou Corder als Lektüre entschieden hat. Interessanterweise werden die für dieses Alter typischen Mädchenbücher bei uns gar nicht zur Diskussion gestellt.

Lesen in Tirol: Welchen Stellenwert hat der Leseclub an der Schule?

Sybille Wimmer: Ich höre immer wieder von KollegInnen, dass ihnen der Leseclub gefällt oder es gibt Nachfragen, welche Projekte wir im Augenblick in Arbeit haben. Manche KollegInnen unterstützen mich auch bei den Lesenächten und übernachten ebenfalls in der Bibliothek. Das kann man nicht genug hervor streichen.

Es ist nicht selbstverständlich, dass KollegInnen bereit sind, bei solchen Projekten unentgeltlich mitzuarbeiten. All das zeigt mir doch, dass der Leseclub an der Schule positiv wahrgenommen wird. Immerhin nimmt mittlerweile knapp ein Zehntel aller SchülerInnen freiwillig am Nachmittag am Leseclub teil.

Ein anderes Kennzeichen ist, dass das Interesse weiterhin steigt und die SchülerInnen der Vierten Klassen bereits ihren Wunsch geäußert haben, im kommenden Schuljahr den Leseclub weiterbesuchen zu wollen. Das würde aber bedeuten, dass ungefähr 75 SchülerInnen am Leseclub teilnehmen wollen. Damit wäre für mich persönlich eine Anzahl erreicht, die ich nicht mehr bewältigen könnte.

Lesen in Tirol: Wie sehen Eltern den Leseclub?

Sybille Wimmer: Es gibt eher selten ein direktes Elternfeedback zum Leseclub. Meist sprechen mich Eltern von Kindern auf den Leseclub an, die ich auch in den Klassen unterrichte, wie z.B. bei den Elternsprechtagen. Dann höre ich wie begeistert die Kinder vom Leseclub sind und dass die Eltern das umfangreiche Programm doch sehr bewundern. Eine negative Bemerkung von Eltern zum Leseclub habe ich allerdings noch nicht erhalten. Die meisten Eltern dürften aber wohl froh sein, wenn ihr Kind den Leseclub besucht.

 
Die Kinder erhalten die Möglichkeit ihre Leistungen und Fähigkeiten einer Öffentlichkeit zu präsentieren. Es ist wichtig, dass die Kinder, mit dem was sie tun, auch wahrgenommen werden. Foto: Markt-Huter 

Lesen in Tirol: Welche Ziele lassen sich durch Initiativen wie den Leseclub generell erreichen?

Sybille Wimmer: Ein wesentlicher Punkt des Leseclubs ist es, den Spaß am Lesen zu vermitteln und zu zeigen, dass Lesen cool sein kann. Im Leseclub lassen sich verschiedene Fähigkeiten fördern, wie z.B. das Lesen an sich, das selbständige Arbeiten, das Zusammenarbeiten im Team, auch in unterschiedlichen Altersgruppen. Bei uns lernen bei den Filmproduktionen bestimmte technische Fertigkeiten in diesem Bereich.

Wir haben zuletzt gemeinsam an einem Logo für den Leseclub gearbeitet. Dabei konnten alle Erfahrungen im graphischen Bereich sammeln. Es gab aber auch zahlreiche Projekte, wie zuletzt Undercover, wo 30 Jugendliche völlig selbständig und ohne meine Unterstützung ihr Projekt präsentiert haben. Ich würde mir noch mehr Projekte wünschen, wo das Lesen einen wichtigen Stellenwert erhält.

Die Kinder erhalten außerdem die Möglichkeit ihre Leistungen und Fähigkeiten einer Öffentlichkeit zu präsentieren. Mir erscheint es ganz besonders wichtig, dass die Kinder, mit dem was sie tun, auch wahrgenommen werden. Für das Undercover-Projekt wurden zwei Gruppen sogar vom ORF interviewt, was natürlich für alle ein ähnlich tolles Erlebnis war, wie der Besuch in den Bavaria Filmstudios in München. Nicht vergessen werden sollte, dass die Kinder in ihrer Freizeit im Leseclub gut aufgehoben sind, wie z.B. in unseren Lesenächten, von denen sie heute noch begeistert sind.

Lesen in Tirol: Nehmen am Leseclub nur gute oder auch schwache LeserInnen teil. Wenn ja, hat sich deren Lesefähigkeit verbessern können?

Sybille Wimmer: Bei uns sind gute und schwache LeserInnen eigentlich ziemlich bunt gemischt. Es gibt einige, die wirklich ausgezeichnet vorlesen können. Ich zwinge aber niemanden zum Vorlesen, weil das natürlich eine sehr anspruchsvolle Tätigkeit ist. Wichtiger erscheint mir, dass wir uns relativ rasch in eine Geschichte einlesen, damit sich das Interesse und die notwendige Spannung für die Lektüre aufbauen können.

Zu später Nachtstunde wird Lesen zum wirlichen Abenteuer, ganz besonders wenn das Motto der Lesenacht Gruselgeschichten, Hexen und Zauberer lautet. Foto: Sybille Wimmer

Ich habe bemerkt, dass viele Kinder ein Buch deshalb nicht weiter lesen, weil sie über die ersten Kapitel einfach nicht hinauskommen. Sind sie aber erst einmal in der Geschichte drinnen, dann beginnen sie mit Begeisterung zu lesen und es gelingt ihnen, sich ganz ruhig auf das Lesen zu konzentrieren. Dabei können die 50 Minuten oft wie im Flug vergehen.

Lesen in Tirol: Wie lässt sich das Interesse am Lesen verstärken?

Sybille Wimmer: Die Lust am Lesen hängt ganz eng mit dem Inhalt zusammen. Sobald die Kinder ein Buch finden, das ihnen gefällt, wie es bei uns z.B. mit dem Buch Der Tränenpalast von Ralf Isau der Fall gewesen ist, sind sie voll motiviert. In diesem speziellen Fall, hatten wir das Glück, dass wir auch eine Lesung von Ralf Isau aus dem Tränenpalast besuchen konnten, was natürlich ein ganz besonderes Erlebnis gewesen ist.

Lesen in Tirol: Gibt es eine Möglichkeit, auch bei schwächeren Lesern die Lust am Lesen zu wecken?

Sybille Wimmer: Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass es sehr hilfreich ist, mit Kindern gemeinsam die Bücher einzulesen. Oft fällt Kindern das Lesen so schwer, dass sie vor lauter Konzentration auf das Lesen der Wörter, den Inhalt des Gelesenen nicht mehr erfassen und damit im Buch einfach nicht weiterkommen.

Ich denke mir, dass es vielen Kindern hilft, wenn sie innerhalb von zehn Minuten vielleicht ein ganzes Kapitel erfassen. Das lässt sich dadurch erreichen, indem man es ihnen laut vorliest und sie einfach still mitlesen können. Sobald sie in die Geschichte eingetaucht sind, versuchen sie selbst weiter zu lesen, weil sie einfach wissen wollen, wie sie weitergeht. Wenn sie die Geschichte verstehen, haben sie genug Anreiz selbst weiter zu lesen.


Oft fällt Kindern das Lesen so schwer, dass sie vor lauter Konzentration auf das Lesen der Wörter, den Inhalt des Gelesenen nicht mehr erfassen und damit im Buch einfach nicht weiterkmenom. Foto: Markt-Huter

Ganz besonders nett finde ich dann, wenn mir auch schwächere Leser im Gang nachlaufen und mir mit Begeisterung erzählen, wie weit sie ein Buch schon gelesen haben.

Lesen in Tirol: Was sind ihre Wünsche für den Leseclub für die Zukunft?

Sybille Wimmer: Mehr Ressourcen wäre natürlich schön, wie z.B. Programme oder schuleigene Videokameras, mit denen wir unsere filmische Projekte noch professioneller umsetzen könnten. Bisher mussten wir vor allem auf die eigene technische Ausrüstung zurückgreifen.

Lesen in Tirol: Vielen Dank für das Interview

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SchülerInnen erzählen was sie bewegt, am Leseclub teilzunehmen?

  • Weil Lesen einfach cool ist!
  • Weil ich gerne Filme von den gelesenen Büchern mache!
  • Weil meine Freundin auch dabei ist!
  • Weil mir das gemeinsame Lesen und das Filmen Spaß macht!
  • Weil ich Bücher gerne mag und meine Freunde auch dabei sind!
  • Ich besuche den Leseclub, weil ich die Lesenächte so aufregend finde

 
Die Schülerinnen und Schüler des Leseclubs Sillgasse haben viele gute Gründe am Leseclub teilzunehmen. Dass es großen Spaß macht, beweist die ständig wachsende Zahl an TeilnehmerInnen. Foto: Markt-Huter

 

Was bisher am meisten Spaß gemacht hat?

  • Mir hat am besten der Besuch in den Bavaria Filmstudios gefallen!
  • Am meisten Spaß machen mir die Lesenächte, wenn wir ein besonders gruseliges Buch lesen!
  • Ich mag am liebsten, wenn wir ein Buch lesen und es danach verfilmen!
  • Ich habe früher nicht gerne gelesen und war auch ein schlechter Leser. Mittlerweile macht mir das Lesen richtig Spaß und ich scheue auch vor dicken Wälzern nicht zurück!

 

>> Lesen ist einfach cool - Der Leseclub im Gymnasium in der Sillgasse, Teil 1 

 

 

Andreas Markt-Huter, 08-07-2009

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