Die Tiroler Kulturservicestelle: Kultur an Tirols Schulen, Teil 2

Seit mehr als 35 Jahren bemüht sich die Tiroler Kulturservicestelle die Begegnung zwischen Künstlern und Schülern zu organisieren. Wurden zu Beginn lediglich 30 Veranstaltungen durchgeführt, so sind es heute mehr als 2.400 Veranstaltungen die jährlich an den Tiroler Schulen stattfinden.

Die Tiroler Kulturservicestelle geht auf eine Initiative des ehemaligen Landeshauptmannstellvertreters Dr. Fritz Prior aus dem Jahr 1974 zurück. In seinen Erinnerungen bemerkte er:

Es war während einer kulturellen Veranstaltung, als mir der Gedanke kam, in die Schulen aller Art mehr Kultur und Kunst zu bringen. So erklärte ich das Schuljahr 1974 / 75 für alle Tiroler Schulen zum Jahr der musischen Bildung.
Quelle: Hirn, Herz und Hand. 30 Jahre Tiroler Kulturservicestelle, S. 5

 

* * * * * 

 

Lesen in Tirol hat das Team der Tiroler Kulturservicestelle zum Interview gebeten und über die vergangene und laufende Tätigkeit der Einrichtung befragt.

Interview Teil 2

Lesen in Tirol: Welche Ziele sollen mit den Begegnungen zwischen Schülern und Künstlern verfolgt werden?

Klaus Machajdik: Mit unseren Veranstaltungen verfolgen wir das Ziel, das kulturelle Bewusstsein der Schülerinnen und Schüler generell zu sensibilisieren, indem wir Veranstaltungen aus unterschiedlichen Kunstsparten anbieten. Wir sehen unsere Angebote als den bunten Fleck im sogenannten Schulalltag. Die Kinder erleben es immer wieder als willkommene Abwechslung, wenn sie von Künstlern besucht werden und sich dabei die Gelegenheit zum Gespräch oder die Möglichkeit nachzufragen ergibt.


Die Tiroler Kulturservicestelle mit Mag. Johanna Kopp (Bild links), Mag. Klaus Machajdik (Bild Mitte) und dem Leiter Mag. Kurt Arnold (Bild rechts) verfolgt das Ziel, das kulturelle Bewusstsein der Tiroler Schülerinnen und Schüler zu sensibilisieren. Foto: Markt-Huter

Lesen in Tirol: Was lässt sich über das Feedback von SchülerInnen und LehrerInnen auf die Veranstaltungen sagen?

Klaus Machajdik: Wir haben eine sehr durchstrukturierte Feedback-Kultur, mit deren Hilfe wir die Reaktionen der Schüler/-innen und Lehrer/-innen auf jede Veranstaltung direkt vermittelt bekommen. Die Rückmeldungen aus den einzelnen Schulen sind für uns eine wichtige Orientierung, um zu erkennen, wie die Kulturschaffenden in der Schule angekommen sind.

Dabei kommen auch häufig Reaktionen von Schülerinnen und Schülern auf die Veranstaltungen, was für uns immer einen wichtigen Gradmesser darstellt. In seltenen Fällen muss man dann aber auch feststellen, dass ein Künstler oder eine Künstlerin bei den Schülern kein besonders großes Echo gefunden hat und in der Zukunft nicht mehr im Veranstaltungsangebot zu finden sein wird.

Dabei sagt beispielsweise die Qualität der Literatur nicht unbedingt etwas darüber aus, wie ein Autor auf die Klasse wirkt. Wir wollen vor allem Künstler, die gerne an die Schulen kommen und denen es z.B. im Bereich der Literatur gelingt, Lesefreude zu entfachen.

Kurt Arnold: Für die Rückmeldungen haben wir ein vorgedrucktes Formular, das sowohl von Lehrern als auch von Schülern ausgefüllt werden kann. Neben den verschiedenen Daten zur Veranstaltung gibt es auch ein eigenes Feld für einen kurzen Bericht. In diesen Berichten lässt sich meist sehr rasch zwischen den Zeilen erkennen, ob die Veranstaltung die Schüler begeistern oder nur mäßiges Interesse wecken konnte. Dass eine Veranstaltung ganz schief läuft oder ein Künstler überhaupt nicht gut ankommt, passiert nur ganz selten. Manchmal erhalten wir auch Anregungen von Lehrern für Verbesserungsvorschläge.

Lesen in Tirol: Was lässt sich über die Reaktionen der Künstler sagen?

Kurt Arnold: Die Veranstaltungen werden natürlich auch von den Künstlern unterschiedlich wahrgenommen. Es gibt z.B. Schulen wo die Künstler ganz besonders herzlich empfangen werden und wieder andere, wo die Veranstaltungen ohne größere Besonderheiten stattfinden. Dass für die Künstler die Schulauftritte unangenehm verlaufen, passiert aber auch nur ganz selten. Die Künstler erhalten von uns die Ergebnisse des Feedbacks über ihren Besuch an den Schulen, worüber sie sich immer sehr freuen.


Dass eine Veranstaltung ganz schief läuft oder ein Künstler überhaupt nicht gut ankommt, passiert nur ganz selten. Foto: Markt-Huter

Lesen in Tirol: Gibt es unter den angebotenen Veranstaltungen auch Highlights, die besonders herausstechen?

Klaus Machajdik: Es gibt sehr viele Highlights. Es wäre ungerecht einen Namen zuallererst zu nennen. Da der Kulturschaffende aber gerade momentan Veranstaltungen an Tiroler Schulen macht, darf ich exemplarisch und stellvertretend für andere Programmpunkte Herrn Dr. Eberhard Kummer nennen. Der aus Niederösterreich stammende Künstler mit Lehraufträgen an internationalen Universitäten hat in den Vereinigten Staaten im Chaucer Studio der Brigham Young University in Provo das gesamte Nibelungenlied mit einem Umfang von ca. 30 Stunden auf zwei MP3-CDs aufgenommen hat.

Hier besteht eine ganz besonders faszinierende Verquickung zwischen Literatur und Musik, wenn die Schüler z.B. das Nibelungenlied - originalgetreu wie im Mittelalter gesungen -vorgetragen bekommen. Das ist auch für den Deutschunterricht eine sehr willkommene Abwechslung, weil gerade hier auch die Vermittlung mittelalterlicher Literatur in hervorragender Weise gelingt.

Kurt Arnold: Eberhard Kummer steht seit nunmehr 27 Jahren unseren Tiroler Schülern jedes Jahr gerne und mit vollem Einsatz eine Woche lang mit 2 - 3 Veranstaltungen täglich zur Verfügung.

Dabei finden diese Veranstaltungen von Reute, Lienz, Landeck, Imst über Innsbruck wirklich in ganz Tirol statt, was für uns natürlich eine große logistische Herausforderung bedeutet. Die teilnehmenden Künstler müssen natürlich transportiert und betreut werden, d.h. sie erhalten ein Rundumprogramm angeboten, was von der Unterbringung im Hotel bis hin zum Weg in die Schule alles beinhaltet.

Johanna Kopp: Um die Betreuung sicher zu stellen, begleiten wir die Künstler zum großen Teil selbst an die Schulen bis hin zu den Lehrern. Veranstaltungen mit Künstlern, die von auswärts kommen, werden von uns selbst geplant, d.h. der Tourneeplan für die Zeit in der sich der Künstler bei uns befindet, liegt bereits vor und auch die Kontakte mit den entsprechenden Lehrpersonen werden bereits frühzeitig hergestellt. Wenn es möglich ist, versuchen wir die entsprechenden Künstler dann auch bei ihren Veranstaltungen zu begleiten.


Um die Betreuung sicher zu stellen, begleiten wir die Künstler zum großen Teil selbst an die Schulen bis hin zu den Lehrern. Foto: Markt-Huter

Lesen in Tirol: Wie schauen die einzelnen Arbeitsschritte der Tiroler Kulturservicestelle z.B. bei der Durchführung einer literarischer Veranstaltung an einer Schule aus?

Kurt Arnold: Wir erstellen bis zum Beginn eines jeden Schuljahres ein Jahresprogramm, das an alle Tiroler Schulen verschickt wird. Die Lehrer wählen aus dem Programm ihre Veranstaltungen aus, die sie sich für ihre Schule wünschen würden und wir versuchen anschließend die tirolweit ausgewählten Veranstaltungen gerecht aufzuteilen.

Jede Schule wird einzeln behandelt und erhält eine Rückmeldung, welche ihrer beantragten Veranstaltungen genehmigt werden konnten und welche nicht. Ca. Mitte November ist die Programmauswahl abgeschlossen und die Schulen erhalten von uns die Telefonnummern und Termine um mit den Künstlern aus Tirol selbst Kontakt aufnehmen und einen konkreten Termin vereinbaren zu können. Bei nicht in Tirol ansässigen Künstlern übernimmt die Tiroler Kulturservicestelle die Organisation und Kontaktaufnahme.

Im Laufe des Schuljahres werden die einzelnen Veranstaltungen abgewickelt und die Künstler von uns bezahlt. Im darauf folgenden Herbst beginnt der Kreislauf wieder von vorne.

Lesen in Tirol: Gibt es auch in den anderen Bundesländern der Tiroler Kulturservicestelle vergleichbare Einrichtungen?

Kurt Arnold: Die Tiroler Kulturservicestelle ist in ihrer Art in Österreich einzigartig. Wir kooperieren mit Kulturkontakt Austria.

Lesen in Tirol: Wurde im Laufe der vergangenen Jahre inhaltlich viel am Programm verändert?

 Johanna Kopp: Die verschiedenen Sparten, die wir auch heute noch anbieten, bestehen im Grunde schon von Anfang an. Was sich vor allem geändert hat, ist die Anzahl der Veranstaltungen, die jedes Jahr an den Schulen in Tirol durchgeführt werden.


In den letzten 35 Jahren hat sich vor allem die Anzahl der Veranstaltungen die an den Tiroler Schulen stattfinden können, geändert. Foto: Markt-Huter

Kurt Arnold: Es gab eine Zeit, als die Wahlpflichtfächer aufgekommen sind, in der verstärkt der Wunsch an uns herangetragen wurde, vermehrt Referenten von den Universitäten einzuladen. Sehr bald mussten wir erkennen, dass uns eine solche Ausweitung des Angebotes ziemlich rasch finanziell überfordert hätte. Da die Gefahr bestand, nichts mehr richtig umsetzen zu können, haben wir uns bewusst wieder auf unsere Kernbereiche Literatur, Musik, Medien, bildende Kunst und Tanz reduziert.

Lesen in Tirol: Vielen Dank für das Interview!

 

>> Die Tiroler Kulturservicestelle: Kultur an Tirols Schulen, Teil 1

 


 

Die Liste der internationalen, österreichischen und Tiroler Künstler, die für eine Begegnung mit Schülerinnen und Schülern gewonnen werden konnte, ist beeindruckend und kann im Folgenden nur Auszugsweise wiedergegeben werden:

Veranstaltungen 1991 - 2005

1991
Thomas Brezina, Milo Dor, All India Quartet, Heidi Knapp

1992
Stefanie Holzer, Milo Yellow Hair, Rosemarie Thüminger, Michael Forcher

1993
Edda Bissinger, Waltraud Anna Mitgutsch, Eberhard Kummer, Anita Pichler

1994
Sieglinde Mc Gregor, Mirjam Pressler, Christoph Zanon, Franz Bauer

1995
Gerhard Jagschitz, Hugo Bonatti, Adele Sansone, Günther Noggler

1996
Bernhard Aichner, Inga Hosp, Kurt Lanthaler, Llaqta Sayari Ensemble

1997
Edda Bissinger, René Clemencic, Hubert Flattinger, Arnulf Zitelmann

1998
Brigitte Eberharter, Christoph W. Bauer, Edda Bissinger, Helene Flöss

1999
Valerie Masquilier, Sepp Kahn, Bella Bello Bitugu, Katja Laske

2000
Florian Bramböck, Hedwig Dejaco, Monika Pelz, Patrick Addai

2001
Agnes Silbernagl, Brigitte Weninger, Sabine Gruber, Christian Dolezal

2002
Annelies Brandstätter, Walter Wippersberg, Irene Prugger, Markus Linder

2003
Amy Pedevilla, Helmuth Groschup, Alfred Komarek, Erika Wimmer

2004
Gitti Schneider, Markus Köhle, Bernhard Nicolussi, Christine Prantauer

2005
Inge Patsch, Heinz D. Heisl, Barbara Hundegger, Veronika Santner

 

 

Weiterführende Links:
Tiroler Kulturservice im Landesschulrat für Tirol

 

Andreas Markt-Huter, 23-04-2010

Lesen

Unterricht