Steven Herrick, Wir beide wussten, es war was passiert

„Ich bin nicht stolz. Ich bin sechzehn und werde bald obdachlos sein. Ich sitze auf der Veranda und schau in den prasselnden kalten Regen. Unser Hund Bunkbrain sitzt neben mir. Ich würde ihn ja gerne mitnehmen. Er hat’s nicht verdient, in diesem Kaff hier zu bleiben.“ (9)

Der 16-jährige Billy beschließt von zu Hause fortzulaufen, um seinem alkoholsüchtigen, schlagenden Vater zu entkommen. Er vermisst die Plätze der Natur in seinem Heimatort, wo er die halbe Schulzeit mit dem Lesen von Büchern verbracht hat, nicht aber die Schule, wo er im zehnte Schuljahr überall durchgefallen ist, außer in Englisch.

Sein Plan auf dem Great Western Highway per Autostopp zu trampen geht schief, stattdessen findet er eine Mitfahrgelegenheit auf einem Speedboot, das, weit ab von jeglichem Gewässer, auf einem Güterwaggon transportiert wird. Der freundliche Lokführer, der Billy halb erfroren in der Früh entdeckt, lädt ihn zu sich in den Begleitwaggon ein und nimmt ihn mit bis Bendarat, einem fiktionalen Städtchen irgendwo im Osten Australiens.

Zunächst besucht Billy eine Bibliothek, wo er von der Bibliothekarin überraschend freundlich behandelt wird und den ganzen Tag mit Lesen verbringt. Am Abend findet er am Bahnhof einen aufgelassenen alten Waggon, den er neue Heimat auswählt. In der Früh besucht er den örtlichen McDonald’s Imbiss, bestellt eine Limonade und isst die Überreste der anderen Gäste auf.

Dabei beobachtet ihn die sie siebzehnjährige Caitlin, die im McDonald’s arbeitet, um sich unabhängig von ihren reichen Eltern, ihr eigenes Geld zu verdienen. Caitlin findet Billy von Anfang an interessant und verpfeift ihn nicht bei ihrer ungeliebten Chefin. Sie wechseln erste Worte und Caitlin ist überrascht von seiner Höflichkeit und gepflegten Ausdrucksweise, die überhaupt nicht zu einem Obdachlosen Jugendlichen zu passen scheint. Auch Billy fühlt sich von Caitlin sofort angezogen.

Als er eines Morgens aufwacht, bemerkt er einen alten Landstreicher, dem gerade seine Flasche Bier am Boden zersprungen ist. Billy holt die Zigaretten seines Vaters und schenkt sie dem Obdachlose, der auch Bill heißt und sie dankbar und überrascht annimmt. Zwischen Billy und Old Bill entsteht eine Freundschaft und die beiden beginnen gemeinsam in der nahegelegenen Konservenfabrik zu arbeiten. Old Bill erzählt vom Tod seiner Tochter und seiner Frau und wie er daraufhin sein Haus für immer verlassen hat.

Während Old Bill die Arbeit bald zu viel wird und sich nach seiner einsamen Ruhe sehnt, lernen sich Billy und Caitlin immer besser kennen. Caitlin lernt auch Old Bill kennen und alle drei beginnen einen neuen Blick auf ihr Leben zu werfen, bis Billy plötzlich von der Polizei aufgehalten und aufgefordert wird, sich auf dem städtischen Sozialamt zu melden.

Steven Herricks Roman „Wir beide wussten, es war was passiert“ ist die poetische Geschichte einer ersten Liebe und einer Freundschaft zwischen den Generationen und zwischen allen sozialen Schranken und Vorurteilen hinweg. In gebundener rhythmischer Sprache wird aus der wechselnden Perspektive dreier Personen mit unterschiedlichen Schicksalen erzählt, dass hinter dem unterschiedlichen Äußeren der Menschen, Schicksale liegen, die geteilt und angenommen werden wolle.

Ein überaus beeindruckendes und empfehlenswertes Jugendbuch, das mit großer Stille und fließender Sprache von den kleinen wichtigen Dingen des Lebens erzählt. Ein großes, unsentimentales Plädoyer für Toleranz und Mitgefühl zwischen den Menschen und ein schönes Buch von der Suche nach Freiheit und Liebe.

Steven Herrick, Wir beide wussten, es war was passiert. Übers. v. Uwe-Michael Gutzschhahn [Orig. Titel: The Simple Gift], ab 13 Jahren
Stuttgart: Thienemann Verlag 2016, 208 Seiten, 15,50 €, ISBN 978-3-522-20219-0

 

Weiterführende Links:
Thienemann Verlag: Steven Herrick, Wir beide wussten, es war was passiert
Wikipedia: Steven Herrick (engl.)

 

Andreas Markt-Huter, 09-04-2018

Bibliographie

AutorIn

Steven Herrick

Buchtitel

Wir beide wussten, es war was passiert

Originaltitel

The Simple Gift

Erscheinungsort

Stuttgart

Erscheinungsjahr

2016

Verlag

Thienemann Verlag

Übersetzung

Uwe-Michael Gutzschhahn

Seitenzahl

208

Preis in EUR

15,50

ISBN

978-3-522-20219-0

Lesealter

Zielgruppe

Kurzbiographie AutorIn

Steven Herrick wurde in Brisbane als jüngstes von sieben Kindern geboren. Er arbeitet schon seit vielen Jahren als Autor, auch wenn er noch lieber Profi-Fußballer geworden wäre. Steven Herrick lebt mit seiner Partnerin in den Blue Mountains bei Sydney in Australien und hat zwei erwachsene Söhne.