Alexander Sutherland Neill, Die grüne Wolke
„Schuld an dieser Geschichte ist ein Sonntagabendgespräch. »Heute Abend fällt mir keine Geschichte ein«, sagte ich. »Meine Phantasie ist eingetrocknet.« »Erzähl uns doch noch so eine Geschichte von Pyecraft, dem Millionär«, bat Betty. »Ich hab eine Idee für eine Geschichte«, sagte Michael. »Wir sind die letzten Menschen auf der Erde. Alle sterben, bloß wir nicht.« (S. 7)
Pycecraft der Millionär besucht mit seinem Luftschiff die Internatsschule Summerhill, weil er es satthat, immer nur Geld zu verdienen. Er will Abenteuer erleben und gemeinsam mit seinem Freund dem Schulleiter Neill und den Kindern den Höhenrekord von sechzehn Kilometern brechen. Neill lehnt zunächst ab, weil er zum Golf verabredet ist, lässt sich dann aber doch überreden, seine Schulkinder Betty, Bunny, Robert, Gordon, Evelyn, Jean, David und Michael zu begleiten. Als sie in sechzehn Kilometern Höhe die Sauerstoffmasken aufsetzen, bemerken sie plötzlich, dass die Wolken unter ihnen ganz grün sind.
Nachdem sie den Höherekord auf siebenundzwanzig Kilometer verbessert haben, landen sie wieder auf dem Goldplatz. Die Wolken sind inzwischen zwar wieder weiß, dafür sind alle Menschen, auf die sie treffen, versteinert. Überall wo sie hinkommen, sehen sie die Menschen mitten in ihren Bewegungen erstarrt. Sofort kommt der Verdacht auf, dass die merkwürdige Erscheinung mit der grünen Wolke zu tun haben muss und sie nur deshalb nicht versteinert sind, weil sie sich in der Luft befunden haben.
Mit Hilfe des Radios versuchen sie festzustellen, ob es noch menschliches Leben auf der Erde gibt. Ebenfalls Sorgen bereitet ihnen die Frage, was sie essen sollen. Als sie eine verirrte Kuh entdecken, müssen sie feststellen, dass es niemand übers Herz bringt die Kuh zu erschießen. Auch die herumstreunenden Hunde entwickeln sich zu einer Gefahr wie Evelyn bemerken muss, die von einem verwilderten Schäferhund angefallen und weggeschleppt wird.
Aber die Probleme sollten noch größer werden, als David zugeben muss, dass er vor kurzem die wilden Tiere aus dem Zoo befreit hat, die nun frei herumlaufen. Neill schlägt vor, dass David für diese dumme Tat erschossen werden soll. Die anderen Kinder schlagen aber vor, ihm dafür, dass er England in einen Dschungel verwandelt hat, einen Orden zu verleihen.
Die mitunter grausamen und gewalttätigen Schilderungen der Geschichte werden zunächst verwirren, haben ihre Ursache aber darin, dass der berühmte Pädagoge Alexander S. Neill seine Geschichte gemeinsam mit seinen Internatskindern schreibt und Fortgang und Inhalt sich in demokratischer Weise entwickelt. Dies führt sogar so weit, dass am Ende nur noch ein Mensch auf dem Planeten übrigbleiben wird.
A. S. Neills Kinderbuchklassiker aus dem Jahr 1938 versteht auch heute noch die jungen Leserinnen und Leser zu beeindrucken und zu bewegen. Zwischen jedem Kapitel lassen sich die Diskussionen und Gedanken zum weiteren Verlauf der Geschichte zwischen Neill und den Kindern mitverfolgen. Die Leserinnen und Leser werden dabei selbst immer tiefer in den Handlungsverlauf verstrickt, wobei die unvorhersehbaren Wendungen die Spannung zusätzlich erhöhen.
Die ungewohnte Erzähltechnik, die auch die jungen Leserinnen und Leser in eine ungewohnte Rolle drängt und Harry Rowohlts überzeugende Übersetzung machen das überaus empfehlenswerte Kinderbuch zu einem spannenden Unterhaltungsroman mit neuem Erfahrungshorizont.
Alexander Sutherland Neill, Die grüne Wolke. Ill. v. Friedrich K. Waechter, übers. v. Harry Rowohlt [Orig. Titel: The Last Man Alive], ab 10 Jahren
Hamburg: Rowohlt Rotfuchs Verlag 2018, 256 Seiten, 15,50 ISBN 978-3-499-21811-8
Weiterführende Links:
Rowohlt Verlag: Alexander Sutherland Neill, Die grüne Wolke
Wikipedia: Alexander Sutherland Neill
Andreas Markt-Huter, 24-10-2018