Johann Georg Lughofer (Hrsg.), Reise nach Ljubljana

Buch-Cover

Anthologien erzählen über die einzelnen Texte hinaus immer auch von einer Idee, die mit diesen Bausteinen verwirklicht wird.

Reise nach Ljubljana versammelt Texte jener österreichischen Autorinnen und Autoren, die ständig unterwegs sind und beispielsweise auf einen Sprung oder ein Projekt in Laibach vorbeischauen, wo die Literatur gerade eine Blüte erlebt.

Die ausgewählten Reise-Literaten gehen nicht nur mit den Texten durchaus an ihre Grenzen, sie verfassen kompakte Texte, die sich jederzeit an jedem Ort auspacken und vorführen lassen.

Aus Tiroler Sicht ist vor allem Markus Köhle zu nennen, der mit seinem Thomas Bernhard Stück unter einem Kastanienbaum jede Grenze von Ehrfurcht oder literarischen Hochwohlgeborenseins überschreitet. Thomas und Bernhard haben sich ein Spiel ausgedacht, bei dem sie vor allem eines können: saufen. Denn der Verlierer (oder der Gewinner) muss jeweils ein oder zwei Stamperln trinken, während die herunter prasselnden Kastanien in einen eigenen Rhythmus hinterher tuckern. "Sturmzeitvertreib" heißt die Aufgabenstellung, die in österreichischer Manier der Witterung aber auch dem jungen Wein eifrig Tribut zollt.

Stefan Abermann, der andere Tiroler dieser Sammlung, geht im "Kokon" einem strengen Geruch nach. Irgendwie ist jemand unbemerkt in einer Wohnung verstorben und hat nichts außer seinem Geruch hinterlassen. Jetzt rätselt man vor allem, wie so etwas möglich ist und ob vielleicht die Philosophie des Cokoonings dahintersteckt. Wer ist drinnen, wer ist draußen? Wer hat sich eingekapselt, der Tote oder die ignoranten Hinterbliebenen.

Sie gehen alle hinaus. Leichtsinnig, leichtsinnig. Wir bleiben hier. Wir sind stark. Wir antworten nicht. Wir bleiben hier, wir antworten nicht. (97)

Die versammelten Geschichten haben alle einen bemerkenswerten Kern, den man nicht so leicht vergisst. Jürgen Lagger etwa schickt die Jahreszeit ins Out, unter dem Titel Markusplatz brechen die verfaulenden Früchte des letzten Jahres auf, der Lebenssinn verrottet kurzfristig, jemand berichtet, dass am Markusplatz Tauben vergiftet worden sind. Yasmin Hafedh hingegen packt gleich die ganze Welt in einen Koffer und das drei Mal.

Reise nach Ljubljana gibt einen verschmitzten Eindruck in die Literatur der jungen Szene Österreichs. Als Trend ist vielleicht auszumachen: das akustisch verspielte und am Slam orientierte Textkomponieren, andererseits das Hinterfragen vordergründiger Wahrnehmungen, schließlich die ironische Durchbrechung erwarteter Textstrukturen.

Im Schutz der Nacht erklimme ich das Regal und ernte den Schatz des Feldherrn. (Stefan Abermann)

Johann Georg Lughofer (Hg.), Reise nach Ljubljana. Junge AutorInnen aus Österreich. Mit Texten von Stefan Abermann, René Bauer, Nadja Bucher, Milena M Flasar, Yasmine Hafedh, Michael Hammerschmid, Markus Köhle, Jürgen Lagger, Mieze Medusa, Alexander Peer, Michael Stavaric, Otto Tremetzberger und Erwin Uhrmann.
Innsbruck: Limbus 2011, 221 Seiten, 18,90 €, ISBN 978-3-902534-44-6

 

Weiterführender Link:
Limbus-Verlag: Johann Georg Lughofer (Hg.): Reise nach Ljubljana

 

Helmuth Schönauer, 21-06-2011

Bibliographie

AutorIn

Stefan Abermann / René Bauer / Nadja Bucher u.a.

Buchtitel

Reise nach Ljubljana. Junge AutorInnen aus Österreich

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2011

Verlag

Limbus

Herausgeber

Johann Georg Lughofer

Seitenzahl

221

Preis in EUR

18,90

ISBN

978-3-902534-44-6

Kurzbiographie AutorIn

Johann Georg Lughofer, geb. 1974 in Linz, leitet Literaturprojekte an der Universität Laibach.

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