Gerda Muller, Der Zauberlehrling
„»Du kommst mir gerade richtig, denn ich brauche jemanden, der mir im Labor hilft. Wenn du dich nicht fürchtest, im Haus eines Zauberers zu leben, kannst du bei mir wohnen und essen. Und ich zeige dir, wie man Arzneien herstellt. Was meinst du?« »O ja, danke!«, sagte Florian.“ (S. 9)
Johann Wolfgang von Goethes Ballade vom Zauberlehrling zählt wohl zu den beliebtesten Gedichten des großen Dichters und auch bei jungen Leserinnen und Leser sehr beliebt. Gerda Müller hat mit viel Einfühlungsvermögen die klassische Ballade sprachlich und bildlich für ein ganz junges Publikum aufbereitet.
Der Waisenjunge Florian ist ganz auf sich allein gestellt und muss für seinen Unterhalt die Ziegen eines bösen Bauern hüten. Er wird geschlagen, ist einsam und bekommt nur einen Teller Suppe und ein trockenes Stück Brot für seine Arbeit.
Er macht sich schließlich auf den Weg, um eine Arbeit als Knecht oder Lehrling zu finden. Aber seine Suche bleibt erfolglos bis er müde und traurig eine von einer Mauer umgebenes Ansiedlung erreicht. Zwei Katzen führen ihn zu einem Haus, wo er einen alten Mann um ein Essen bittet.
Der alte Mann ist Sigiswald, ein Zauberer und Wunderheiler, der zufälliger Weise gerade jemanden brauchen kann, der ihm im Labor zur Hand geht. Müde und erschöpft ist Florian nur allzu gerne bereit, das Angebot des freundlichen Zauberers anzunehmen.
Neben der Arbeit im Garten, in der Küche und im Haus lernt Florian auch lesen, schreiben und rechnen, Kräuter und Pilze suchen und bestimmen, um einfache Heilmittel herzustellen. Der Zauberer zeigt ihm auch, wie mit Hilfe einer Wünschelrute Wasser gefunden werden kann. Sigiswald hält Florian für einen überaus begabten Schüler und verrät ihm eines Tages drei Zauberworte. Das Wort „Bullicare“ haucht den Gegenständen Leben ein, „Abantiare“ bringt sie dazu, sich schnell zu bewegen und das Wort „Obedire“ sorgt dafür, dass die Dinge ihm gehorchen.
Sigiswald gibt Florian noch die Warnung mit, die Worte nie in der Abwesenheit des Zauberers zu benutzten, was der junge Zauberlehrling besser hätte beherzigen sollen, als sich sein Meister eines Tages zu einer Versammlung von Wunderheilern und Zauberer begibt. Bald schon kommt Florian in den Sinn, die zahlreichen Aufgaben seines Meisters mit Hilfe der drei Zaubersprüche erledigen zu wollen.
Mit viel Herz erzählt Gerda Muller die Geschichte eines armen, einsamen Jungen, der sich von der Arbeit überfordert fühlt und einen Fehler macht. Auch wenn der Meister zunächst verärgert ist und sein Vertrauen missbrauch fühlt, verzeiht er ihm und lässt ihn weiterhin bei sich bleiben.
Neben einer liebevoll erzählten Rahmengeschichte und den schön gestalteten Illustrationen zieht Gerda Muller die jungen Leserinnen und Leser auf die Seite des jungen Helden, der auf ein schweres Schicksal zurückblickt und wegen eines übermütigen Fehlers beinahe sein Glück aufs Spiel setzt. Ein überaus lesenswertes Kinderbuch, das auf spannende Weise eine großen Klassiker der deutschen Literatur für Kinder aufbereitet und zum gemeinsamen Lesen von Jung und Alt einlädt.
Gerda Muller, Der Zauberlehrling. Ill. v. Gerda Muller, übers. v. Silvia Bartholl [Orig. Titel: L’apprenti sorcier], ab 3 Jahren
Frankfurt a. Main: Moritz Verlag 2019, 24 Seiten, 14,40 €, ISBN 978-3-89565-378-0
Weiterführender Link:
Moritz Verlag: Gerda Muller, Der Zauberlehrling
Andreas Markt-Huter, 28-11-2019