Elfriede Kopf, Die schöne Seele
In der Romantik gilt die schöne Seele als Umschreibung für einen Menschen mit besonderer Wahrnehmung. Wenn sich jemand von der Welt abschottet, wird er in ironischen Gesprächen oft als schöne Seele bezeichnet.
In Elfriede Kopfs Roman entwickelt sich ein Mädchen zu einer schönen Seele. Diese Klara kann das Unglück bei anderen Menschen vorhersehen und manchmal auch nachhelfen. So kann sie beispielweise unliebsame Geschwister in den Tod stürzen, und wer sie mobbt, dem ergeht es bald schlecht.
Diese Maßnahmen der schönen Seele sind vielleicht ein Schutzmechanismus in einer brutal-trivialen Welt. Am Rande der Stadt Lienz lebt eine Norm-Familie ihre Jahre herunter. Protagonistinnen sind zwei Schwestern, die sexuell voll aktive Trude, die ihre Ausritte abtreiben lässt und als Alleinerzieherin einer Tochter das Provinzleben bis zur Neige auskostet, und die Lehrerein Marga, die alles konventionell richtig macht und am Schluss mit ihren Nerven am Ende ist.
Denn in dieser Gegend kommt die Frau oft nicht einmal zum Nachdenken, so geht es rund. Trude und Marga wetteifern um die Gunst des Lebenssinns, die eine treibt ab und bleibt letztlich frustriert mit ihrer Tochter übrig, die andere kriegt fünf Nicht-Wunschkinder und einen Mann, der in Seitensprünge und Sport flüchtet.
Bis dann Klara mit ihrer schönen Seele das Leben in die Hand nimmt, zwei Geschwister sterben lässt und mit ihrem verlangsamten Lebensstil die Hektik entschleunigt.
Umrahmt wird die Szenerie von einem dement gewordenen Haustyrannen, von skurrilen Nachbarn, die die Evolution des Gartens unter die Harke nehmen, und einsamen Mietbewohnern, die dann doch im Altersheim vertrocknen.
An manchen Tagen werden alle Figuren an die Wand gespielt, und als Leser gewinnt man einen guten Eindruck, wie die Hölle funktioniert. , Indem man nämlich ein Häusl baut und es als vorgeblichen Lebenssinn durch die Jahrzehnte renoviert. Am Schluss sind alle alt, ruhig und seltsam glücklich. Die schöne Seele Klara ist schwanger und freut sich auf ein Leben voller Zukunft.
Elfriede Kopf erzählt mit der Dynamik einer Journalistin aus einem Kriegsgebiet, das als Familie ausgegeben wird. Kein Tag vergeht ohne Kränkung, Attacken und heimtückische Überlebensstrategien. Der Feind sitzt am Küchentisch oder liegt als Pflegefall im Nebenzimmer. Beide Strategien, das Ausbrechen und das Durchdienen, sind letztlich gleich sinnlos. Das Leben läuft unbeirrt an der Seitenoutlinie der Figuren auf und ab, alle warten, bis irgendwer dieses idyllische Familienspiel abpfeift. - Ein wilder Roman über das scheinbar gewöhnliche Leben am Lienzer Talboden.
Elfriede Kopf, Die schöne Seele
Neckenmarkt: Novum Publishing 2010 ( = novum pocket), 251 Seiten, 10,50 €, ISBN 978-3-99010-098-1
Weiterführender Link:
Novum Pocket: Elfriede Kopf, Die schöne Seele