Hannes Vyoral, Ostrakoi

Buch-Cover

Gute Gedichte sind nicht nur zeitlos, sie entstehen manchmal sogar in einem Zeitmaß, das nicht von dieser Welt ist.

So hat die wunderschöne Sammlung Ostrakoi lange Monate gebraucht, bis die Sinnesorgane des Autors die eingeflossenen Eindrücke zu Lyrik umgespeichert haben. Aber noch nicht genug der Gelassenheit. Der Korpus des Gedichtbandes wurde 2003 gedruckt, und erst im darauf folgenden Jahr gelang es, den Umschlag auf die Beine zu stellen und so das Kunstwerk in die weite Welt hinein zu entlassen.

Hannes Vyorals Gedichte sind vorerst einmal Gedankenbojen, die auf einer immerwährenden Reise ausgeworfen worden sind. Nordafrika, das Mittelmeer oder die Mündung des Senegal geben den geographischen Raum ab, der sich einmal durch exotische Ortsnamen ausweist, wodurch beim Leser sofort Sehnsucht, Verzauberung und Fernweh aufkeimt.

Die Texte sind wie Bilder für eine Galerie einheitlich gerahmt, das heißt, sie enden mit einer kursiv gesetzten Ortsangabe und hängen an einem seltsamen ?Titel-Strick?. Hinzu kommen oft noch Widmungen, damit das Gedicht zumindest einen Paten hat, der auf es schaut und es persönlich begleitet im großen Mahlstrom der Lyrik.

Oase, Zitat am Wegstück, Delta, Sahara und eben auch Ostrakon heißen die Überschriften, die einen magischen Zug ins Textinnere bewirken, das Auge verführen und einen Ton aufkommen lassen. Denn Hannes Vyorals Gedichte haben immer auch einen Ton untergelegt, der ihn unter den Lyrikern unverwechselbar macht, wie man auch einen individuellen Musikanten sofort aus jeder Band heraushört.

?wenn ich jetzt nicht anwesend bin / bin ich es später? (28)

Zwei Zeilen können vollkommene Gelassenheit ausdrücken, hier handelt es sich noch dazu um den Beginn eines Liebesgedichtes, in dem nichts mehr schief gehen kann, die Liebe ist da, oder sie kommt später, der Wind wird fallen und steigen wie Blätter.

?heute hat auch das meer sich verändert? (34) heißt es an einer anderen Stelle, aber man befürchtet als Leser nichts, es wird gut ausgehen, obwohl es dann noch gefährlich knallt, ?wie samenkapseln / oder war es die motorsäge in den bergen??

Die Offsetlithographien Günther Wielands sind quasi als beleuchtete Zeichen in das Buch gesetzt, unter den luziden Texten schimmern sie in einem eigenartigen Dunst zwischen Kalligraphie und Landschaft. Manches ist ein Schriftzeichen einer fremden Kultur, anderes vielleicht ein Käfig, worin seltsame Gravuren gehalten werden. Die Graphiken verfließen mittendrin im weichen Papier, Fadenheftung, Sorgfalt beim inden, Zeit, jede Menge Zeit und Zeitlosigkeit.

Das Buch liegt schließlich wie eine Meditationsschrift in den Händen, hält den Leser irgendwie am Boden dieser Welt, während die Gedanken längst weggetaucht sind. Lyrik kann was ganz Schönes sein!

Hannes Vyoral, Ostrakoi. Gedichte. Offsetlithographien von Günther Wieland.
Horn: Edition Thurnhof 2004. 92 Seiten. EUR 24,-. ISBN 3-900678-70-7.

 

Helmuth Schönauer 02-08-2004

Bibliographie

AutorIn

Hannes Vyoral

Buchtitel

Ostrakoi

Erscheinungsort

Horn

Erscheinungsjahr

2004

Verlag

Edition Thurnhof

Illustration

Günther Wieland

Seitenzahl

92

Preis in EUR

EUR 24,-

ISBN

3-900678-70-7

Kurzbiographie AutorIn

Hannes Vyoral, geb. 1953, lebt in Wien und im Burgenland.

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