Rose Lagercrantz, Zwei von jedem
„Manchmal frage ich mich, wer über meine Gedanken bestimmt? Ich selber? Natürlich ich. Und doch kommt es vor, dass sie ziehen, wohin sie wollen, und bis nach Siebenbürgen fliegen, wo ich gelebt habe, als ich klein war. Dort, wo auch Dracula gewohnt hat, der Vampir, der Menschen biss und ihr Blut trank. Das hat mir mein großer Bruder Adam erzählt. (S. 9 f)
Eli verbringt seine Kindheit in Rumänien, wo er gemeinsam mit der gleichaltrigen Luli die Schule besucht. Beide verbindet das Laufen und eine Freundschaft, die ein Leben lang anhalten wird. Während Luli aber mit ihrer Familie nach Amerika auswandert, wird Elis jüdische Familie von den Nationalsozialisten bedroht.
Seit Adam seinem jüngeren Bruder Eli von Vampiren erzählt hat, die immer noch ihr Unwesen treiben sollen, trainiert Eli das Laufen, um den Blutsaugern entkommen zu können. In der Schule lernt Eli Luli kennen, die wie er das Laufen liebt. Beide sind die schnellsten Läufer in ihrer Klasse und bald unzertrennliche Freunde. Kurz nach Elis Geburt stirbt sein kränklicher Vater und er muss mit seiner Mutter und seinem älteren Bruder sein Haus verlassen und bei Onkel Isaak einziehen. Luli hingegen lebt nach dem Tod ihrer Mutter mit ihrer Schwester Hanna bei Tante Cipora, während ihr Vater in Amerika sein Glück versucht. Doch Eli fürchtet sich vor dem Augenblick, in dem Luli zu ihrem Vater nach New York ziehen soll.
Mit neun Jahren erkrankt Eli schwer und muss um sein Leben kämpfen. Erst als er wieder Besuch von seiner Freundin Luli erhalten darf, beginnt er sich langsam wieder zu erholen und gesund zu werden. Bald schon erhält Luli die Nachricht, dass die Familie nach New York kommen soll. Luli verspricht Eli, dass sie ihm eine Fahrkarte für das Schiff schicken will und sie sich in Amerika wiedersehen werden.
Doch die Jahre vergehen und Eli bekommt keine Nachrichten von Luli. Stattdessen kommt es zum Krieg und Eli wird mit anderen jüdischen Familien von deutschen Soldaten aus den Häusern geholt und in Viehwaggons nach Auschwitz gebracht.
Mit viel Einfühlungsvermögen erzählt Rose Lagercrantz die Liebesgeschichte des kleinen Eli und seiner Freundin Luli, die über Kontinente getrennt, die Schrecken des Holocausts überleben, schließlich zusammen ihr Glück finden. Behutsam wird den jungen Leserinnen und Lesern der Antisemitismus und die Judenvernichtung während der Zeit des Zweiten Weltkrieges vermittelt. Gezeigt wird aber auch, wie schwer es den Überlebenden fällt, über die Schrecken und Erlebnisse in den Vernichtungslagern zu sprechen und sich daran zu erinnern.
„Zwei von jedem“ erzählt mit großer Leichtigkeit und dennoch eindringlich sowohl von Antisemitismus und Unmenschlichkeit als auch von Freundschaft, Hilfsbereitschaft und die Kraft der Liebe. Die liebevoll gestalteten Illustrationen, die klare, einfache Sprache und die große Schrift machen das überaus empfehlenswerte Kinderbuch für Leseanfänger besonders geeignet.
Rose Lagercrantz, Zwei von jedem. Ill. v. Rebecka Lagercrantz, übers. v. Angelika Kutsch [Orig. Titel: Två av allt], ab 9 Jahren
Frankfurt a. Main: Moritz Verlag 2021, 116 Seiten, 14,40 €, ISBN 978-3-89565-419-0
Weiterführende Links:
Moritz Verlag: Rose Lagercrantz, Zwei von jedem
Wikipedia: Rose Lagercrantz
Andreas Markt-Huter, 16-09-2021