Friedrich Hahn, Mitten am Rand

Buch-Cover

Wenn die Koordinaten einmal verschoben sind, lässt sich kaum noch eine passable Navigation durchführen. Das gilt für eine simple Wegstrecke genauso wie für die Abwicklung eines geordneten Lebens.

In Friedrich Hahns Roman mit der seltsamen Koordinatenangabe "Mitten am Rand" gerät für den Maler Gregor die Welt aus den Fugen, weil die Scheidung ansteht und das Haus versteigert wird. Offensichtlich ist er ein Künstler, der stark an irdischer Liebe und irdischem Hausrat hängt, denn die Kunst an und für sich wäre ja von der Scheidung nicht betroffen.

Ziemlich verstört räumt Gregor seine Siebensachen auf und zieht in sein Wohnmobil, dabei geht er recht hilflos streng mit sich selbst um, so "weist er seinem Körper seinen Platz für die Nacht zu". (18)

Während die Versteigerung vorbereitet wird taucht eine neue Freundin auf und hilft ihm, die alten Sachen zu vergessen.

Geschichten enden, wenn sie in der Gegenwart angekommen sind. (25)

Was immer Gregor auch anpackt, überall stehen ihm hilfreich Frauen zur Seite, die aber nicht den richtigen Lebenskick auszulösen vermögen. Auf einer Burgenlandtour taucht eine Kulturrätin auf, die dem Künstler zu einer semi-bürgerlichen Anstellung verhelfen will.

Dann knackst es ordentlich, die Filmproduzentin Olga nimmt den verstörten Gregor mit nach Hamburg. Während Olga arbeitet und stets von der Öffentlichkeit umspült ist, verblödet Gregor zusehends. Sein Standard-Satz lautet: "Ich bin mit Existieren beschäftigt". (141)

Bald wird er nur noch als skurrile Randexistenz wahrgenommen und gilt als "der Maler im Wohnmobil".

Er fühlte in sich hinein. Nicht einmal diese wiederkehrende Leere stellte sich ein, diese Leere, die ihm sonst immer Angst macht. Angst, gegen die er dann anmalen konnte, die er dann wegmalen musste. (158)

Dieser permanenten Selbstbeobachtungen und Selbstanalysen führen in einen Zustand von "zwischendort" und lassen Gregor immer tiefer in den Eigensumpf von Melancholie, Selbstmitleid und Antriebslosigkeit versinken. Nach einer aufgekratzten Vernissage hat er genug, er setzt sich ins Wohnmobil und fährt und fährt. Es zieht in letztlich zurück ins Burgenland, wo er seine Heimat vermutet.

Friedrich Hahn erzählt von einer formidablen Krise eines Mannes, der sowohl familiär als auch künstlerisch an den Rand geraten ist. Wie ein großes Kind lässt sich der Maler von verschiedenen Freundinnen durch die Verstörungen begleiten, aber er fühlt sich überall mitten am Rand. Aussitzen mit sich selber, heißt offensichtlich die Parole.

Friedrich Hahn, Mitten am Rand. Roman
Innsbruck: Edition Laurin 2011, 170 Seiten, 17,90 €, ISBN 978-3-902811-18-9

 

Helmuth Schönauer, 19-11-2011

Bibliographie

AutorIn

Friedrich Hahn

Buchtitel

Mitten am Rand

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2011

Verlag

Edition Laurin

Seitenzahl

170

Preis in EUR

17,90

ISBN

978-3-902811-18-9

Kurzbiographie AutorIn

Friedrich Hahn, geb. 1952 in Merkengersch / NÖ, lebt in Wien.

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