Meinhard Rauchensteiner, Das kleine ABC des Staatsbesuches

Buch-Cover

Wenn man sich durch die Weltereignisse der Fernsehprogramme zappt, stößt man garantiert auf einen Staatsbesuch. Denn irgendwo auf der Welt spielt sich immer so ein theatralischer Event ab, irgendwo liegt immer ein roter Teppich, irgendwo zappeln immer irgendwelche Männchen vor einer Limousine auf und ab.

Meinhard Rauchensteiner vermutet zu Recht, dass es Interessanteres auf der Welt gibt, als einen Staatsbesuch, andererseits ersetzen diese Auftritte oft Kriegsvorbereitungen, kurbeln die Wirtschaft an, beschäftigen einen Tross von dramaturgischen Designern. So soll der aufgeklärte Staatsbürger durchaus wissen, was hinter einem Staatsbesuch steckt. Denn was uns an kurzen Bildfolgen geboten wird, ist ja nur ein kleiner Ausschnitt aus der Welt der Diplomatie, Orden, Bücklinge und Zeremonienmeister.

Wie formuliere ich einen Toast, was ist bei einem Bankett tabu, wie viele Motorräder bilden eine Eskorte, warum sind in der Hofburg die Türklinken in Augenhöhe, wie baut sich ein Konvoi auf? Wenn man sich einmal auf diese Fragen einlässt, kommt man nicht mehr davon los. Denn im Wesen des Staatsbesuches steckt eine jahrtausendealte Tradition, die direkt auf die Neandertaler zurückzugreifen scheint. Die Zoologie scheint überhaupt die geheime Zeremonienmeisterin dieser bewimpelten und bewappelten Auftritte zu sein.

Streng in der Form eines Lexikons erklärt der Autor die wichtigsten Rituale und unterlegt die Schlüsselbegriffe mit Querverweisen. Fallweise werden historische Ereignisse zur Begründung herangezogen, manchmal sind es auch nur Bonmots mitgereister Journalisten, die einen Sachverhalt trefflich dokumentieren.

Ratzenböckdoktrin - Benannt nach dem früheren Landeshauptmann von Oberösterreich, Josef Ratzenböck, lautet sie: ?Man soll nicht, wenn man muss, sondern wenn man kann.? (127)

Ein Schelm, wer bei diesem Zitat nicht an eine Ausscheidung denkt, übrigens darf man beim Staatsbesuch nie nach dem Klo fragen, sondern muss immer Händewaschen sagen dazu. Im schlimmsten Fall muss man dann eben in die Hände machen, wenn es der Gastgeber wörtlich meint.

Meinhard Rauchensteiner würdigt in diesem ABC die Darsteller und Regisseure gleichermaßen. Dabei sind die Arbeiten oft ungerecht verteilt. Eine Fachfrau bastelt eine Viertelstunde an der Faltung einer österreichischen Kaiserserviette, während sie der Staatsgast dann im Bruchteil einer Sekunde zerstört.

Und auch am Beispiel eines Konvois merkt man die ungerechte Rollenverteilung. Während unsereins aus dem Stand heraus einen Stau (= Konvoi) zusammenbringt, muss ein bilateraler Konvoi wochenlang vorbereitet werden. - Das ABC des Staatsbesuches ist eine staatstragend humorvolle Anleitung zum Genuss verrückter Kleinodien! Und das rot-weiß-rote Lesebändchen lässt man als Leser nie mehr los.

Meinhard Rauchensteiner, Das kleine ABC des Staatsbesuches. Nebst nützlicher Anweisungen für das Überleben im Staatsdienst
Wien: Czernin 2011, 176 Seiten, 16,80 €, ISBN 978-3-7076-0389-7

 

Helmuth Schönauer, 05-11-2011

Bibliographie

AutorIn

Meinhard Rauchensteiner

Buchtitel

Das kleine ABC des Staatsbesuches

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2011

Verlag

Czernin

Seitenzahl

176

Preis in EUR

16,80

ISBN

978-3-7076-0389-7

Kurzbiographie AutorIn

Meinhard Rauchensteiner, geb. 1970, lebt in Wien als Berater des Bundespräsidenten.