Erin Jade Lange, Mein letzter Livestream – und alle schauen zu
„Ihr glaubt, ich esse viel? Das ist noch gar nichts. Geht mal am 31. Dezember online, wenn ich die Liveübertragung meiner Henkersmahlzeit ins Netz stelle. Leute, die zum Tode verurteilt sind, kriegen doch alle eine Henkersmahlzeit. Wieso ich nicht? Ich halte es kein Jahr mehr aus in diesem Fettleib, aber ich weiß, wie ich dieses Jahr mit einem Knalleffekt beenden kann.“ (S. 9)
Der 16-jährige Marshall, wird in seiner Schule von allen nur „Butter“ genannt, weil er so dick ist. Er wiegt über 200 kg und leidet aufgrund seines enormen Übergewichts unter permanentem Mobbing. Schließlich fasst er einen Entschluss mit großer Tragweite. Er kündigt spektakulär an, sich zu Sylvester live im Internet zu Tode essen zu wollen, um seinem Leiden ein Ende zu machen.
Butters einzige große Leidenschaft, neben dem Essen, ist die Musik und das Saxophonspiel, worin er es zu einer richtigen Meisterschaft bringen hat können. Seine sozialen Beziehungen pflegt er über das Internet, wo er unter dem Zugangsnamen „SaxMan“ auftritt und eine enge Freundschaft mit seiner Mitschülerin Ann pflegt, die aber nichts von seiner wahren Identität weiß, sondern sich als Privatschüler ausgibt. Er schickt ihre eine Aufnahme eines selbst geschriebenen Stücks, von dem sie begeistert ist.
„Ah! Weißt du übrigens, dass ich es jeden Abend anhöre, bevor ich einschlafe?“ (S. 15)
Ein Foto von sich weist Butter mit dem Argument zurück, dass das Geheimnis seines Aussehens viel romantischer sei. Als sie danach drängt ihn endlich persönlich, außerhalb des Chatrooms, kennenlernen zu wollen, findet er keine Ausrede mehr und verspricht ihr, sie einander zu Sylvester treffen werden. In Erwartung seine einzige Liebe schließlich zu verlieren, beschließt er, seinem Leben am 31. Dezember ein Ende zu setzen. Dazu richtet er eine geheime Website ein und kündigt sein Vorhaben an. Den Zugangscode zur Site lässt er allen Mitschülern zukommen, von denen er tagein tagaus gemobbt wird.
Statt eines Aufschreis des Entsetzens, Mitgefühls oder Hilfe reagieren sein Mitschüler mit Begeisterung und Anerkennung. Doch Sylvester rückt immer näher und der Druck auf Butter steigt, seine Ankündigung auch umzusetzen.
Erin Jade Langes Jugendroman setzt sich auf eindrückliche Weise mit dem Leiden von Jugendlichen auseinander, die nicht der Norm entsprechen und durch ihr Äußeres die Ablehnung anderer auf sich ziehen. Die Themen Mobbing, Abwertung aufgrund der körperlichen Erscheinung und Selbstmord stehen im Mittelpunkt des Romans und werden auf eindrucksvoll mitfühlende Weise den jugendlichen Leserinnen und Leser vermittelt.
Ein überaus lesenswertes Jugendbuch sein Augenmerk gezielt auf Außenseiter und ihr Leiden mit sich selbst und ihrer Umwelt lenkt und das zum Nachdenken und Diskutieren einlädt. Dazu bietet der Verlag speziell für den Unterricht eine eigene Handreichung für die 7. bis 10. Schulstufe.
Erin Jade Lange, Mein letzter Livestream – und alle schauen zu. Übers. v. Uwe-Michael Gutzschhahn [Orig. Titel: Butter], ab 14 Jahren
Würzburg: Arena Verlag 2022, 336 Seiten, 16,10 €, ISBN 978-3-401-60715-3
Weiterführende Links:
Arena Verlag: Erin Jade Lange, Mein letzter Livestream – und alle schauen zu
Unterrichtsmaterialien: Erin Jade Lange, Mein letzter Livestream
Homepage: Erin Jade Lange
Andreas Markt-Huter, 05-06-2023