Johann Holzner / Elisabeth Walde (Hrsg.), Brüche und Brücken

Buch-Cover

Ah, das tut gut, satt und fett und voller Stoff liegt der „Alpenreader“ in der Hand, es geht um nichts Geringeres als Kultur und Lebenslust, welche seit Jahrhunderten durchs Gebirge ziehen.

Im Wintersemester 2002/03 hat die Geisteswissenschaftliche Fakultät an der Innsbrucker Uni ihr sensibler Inneres nach außen gestülpt und in einer Ringvorlesung die wichtigsten Ergebnisse jahrelanger Forschung vorgestellt.

Diese Ringvorlesung ist von der Bevölkerung geradezu gestürmt worden, jetzt sind die Beiträge in einem Reader zugänglich. Die Themen sind durch die Bank spannend, weil sie immer mit unserem alpinen Leben in der Gegenwart zu tun haben. Ob es sich um den Straßenbau zur Römerzeit, die Sehnsucht der Schafhirten zur Frühzeit, die Hochzeitsrituale der Renaissance oder die seltsam unterirdische Verquickungen von Ortsnamen handelt, immer ist das Ergebnis ein Stück Alltagskultur, worin wir uns unauffällig wie der Fisch im Wasser bewegen.

Graphisch am spektakulärsten dargestellt ist vielleicht die alpine Toponomastik, worin die Ortsnamen mit mathematischen Formeln aufgeschlüsselt werden. Hier bestaunt der Laie vor allem das wissenschaftliche Ritual, mit dem so etwas Geläufiges wie eben Namen von Brücken oder Brüchen in einem Arbeitsgang codiert und dechiffriert wird. Innsbruck scheint logischerweise beides zu beinhalten, die Brücke und den Bruch.

Fernfahrer der Antike, Lavant als Höhensiedlung, Tanzkultur in Tirol, Berge als Erfahrungs- und Experimentierraum sind weitere Aspekte, die den Alpenraum tatsächlich unverwechselbar und als permanentes Unikat darstellen. Interessant sind auch die beiden germanistischen Beiträge, die sich seltsamerweise mit der Südtiroler Literatur beschäftigen und suggerieren, dass es in Nordtirol keine Literatur gibt.

Artikel sind ja immer zu kurz für das lange Wissenschaftsleben, das sie jeweils darstellen, aber gerade in der Germanistik fällt auf, dass hier im Zweifelsfalle mit Ausblendung gearbeitet wird. So wird beispielsweise der wichtigste Autor des Transits und Kulturtransfers, der Südtiroler Kurt Lanthaler, ausgeblendet, obwohl seine witzige Fernfahrerfigur Tschonnie Tschenett im gesamten deutschen Sprachraum als zukunftsträchtige Erscheinung diskutiert wird. Vermutlich sollte das Bild der schweren, in vielen Selbstspiegelungen zerbrochenen Südtiroler Lazarusse nicht zerstört werden. Und vielerorts wird ja Literaturbeschreibung mit den Stilmitteln einer Religionsstiftenden Heilsgeschichte betrieben.

Dieser Reader gibt jedenfalls einen guten Einblick in das, was so in den geisteswissenschaftlichen Köpfen des Landes Sache ist. Und es ist ein beruhigendes Gefühl, dass sich ganze Stockwerke von Forscherinnen und Forschern Gedanken machen über unser Land und die Frage stellen: Wo kommen wir her? Wo soll es hin gehen? Das verströmt jedenfalls ein optimistisches Gefühl.

Johann Holzner / Elisabeth Walde (Hg.): Brüche und Brücken. Kulturtransfer im Alpenraum von der Steinzeit bis zur Gegenwart. Aufsätze. Essays.
Wien, Bozen: folio 2005. 362 Seiten. EUR 25,-. ISBN 3-85256-287-2.


Helmuth Schönauer, 03-02-2005

Bibliographie

AutorIn

Johann Holzner / Elisabeth Walde (Hrsg.)

Buchtitel

Brüche und Brücken. Kulturtransfer im Alpenraum von der Steinzeit bis zur Gegenwart. Aufsätze. Essays

Erscheinungsort

Bozen

Erscheinungsjahr

2005

Verlag

folio

Herausgeber

Johann Holzner / Elisabeth Walde

Seitenzahl

362

Preis in EUR

EUR 25,-

ISBN

3-85256-287-2

Kurzbiographie AutorIn

Johann Holzner, geb. 1948, ist Leiter des Innsbrucker Brennerarchivs.<br />Elisabeth Walde, seit 1984 Professorin für Archäologie in Innsbruck.

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