Carmen Bregy, Nicolas schläft

Buch-Cover

Von Kindern nehmen wir an, dass sie in manchen Bereichen wie Erwachsene ticken, aber wenn es zu einer Störung im Kind-Sein kommt, wissen wir manchmal so gut wie gar nichts.

Carmen Bregy stellt in ihrem Roman den knapp zehnjährigen Nicolas in den Mittelpunkt von Empfindung, Schmerz, Ausgeschlossenheit. Nicolas ist ein sehr vorsichtiges Kind, das vor allem in sich selbst hinein hört.

Das ist vielleicht auch ein Überlebensinstinkt, denn Nicolas dürfte einen Herzfehler haben. Ständig pumpert etwas schräg im Herzen, immer wieder klammert sich das Herz ängstlich an die Innenbrust und draußen in der großen Welt der Erwachsenen reden sie ständig von Störungen, Krankheiten und Tod.

Tatsächlich stirbt dann auch der Großvater, er schaut im Tod gar nicht einmal so schlecht aus, aber eigentlich hat er ein Leben lang nichts anderes vorgehabt, als zu sterben. Nicolas will sich am liebsten verkriechen oder unsichtbar machen.

Wenn niemand wüsste, wer mir meinen Namen gegeben hat, denkt er manchmal. Wenn also niemand wüsste, wie ich heiße, wo ich wohne oder wie ich aussehe. Wenn niemand wüsste, dass es mich gibt. Wenn ich unsichtbar wäre und überall hingehen könnte, wohin ich gehen will. Auf die Insel zum Beispiel. (14)

Nicolas versucht das ganze Schuljahr über, nichts falsch zu machen, ein paar wenige Freundschaften aufrecht zu halten, ja keinen Fehler zu machen. Dennoch steht er manchmal an der Tafel, tausend Wörter zischen an seinem Kopf vorbei, aber es ist kein richtiges dabei. "Einfach warten, bis die Lehrerin ihn wegführt von der unlösbaren Rechenaufgabe!" (55)

Währen eines Sprachaufenthaltes in England weint Nicolas durch und erhält am Telefon die nette Aufforderung, durchzuhalten. Dann gibt es wieder Herzuntersuchungen, aber es kommt nichts Handfestes heraus, dabei ist Nicolas überzeugt, dass er ein Loch im Herzen hat.

Großmutter kommt vom Arzt zurück und sagt nur ein Wort: Krebs. (124) Aber auch dagegen gibt es ein Mittel, stellt Nicolas fest, man muss das Wort nur so lange wiederholen, bis es keinen Sinn mehr macht. Natürlich ist Nicolas hellwach, auch wenn die anderen meinen, er schläft.

Endlich gibt es einen langen Aufenthalt auf der Insel. Aber seltsamerweise ändert sich nicht, die Angst bleibt hautnah an Nicolas dran, überall ist Vorsicht angesagt. Nicolas begräbt einen toten Vogel der ihm "zugeflogen" ist. Von der Ferne sieht er sein Haus, worin in der Tür sein Vater steht.

Carmen Bregy erzählt in der verwundeten Sprache eines selbstverlorenen Kindes, wie dieses in sich selbst gefangen ist, Ängste aussteht, mit der Welt nicht zurechtkommt und dennoch irgendwie tapfer zu sein versucht, und sei es auch nur mit Worten.

Carmen Bregy, Nicolas schläft. Roman
Innsbruck: Limbus 2011, 159 Seiten, 15,90 €, ISBN 978-3-902534-53-8

 

Helmuth Schönauer, 06-10-2011

Bibliographie

AutorIn

Carmen Bregy

Buchtitel

Nicolas schläft

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2011

Verlag

Limbus

Seitenzahl

159

Preis in EUR

15,90

ISBN

978-3-902534-53-8

Kurzbiographie AutorIn

Carmen Bregy, geb. 1971 im Wallis, lebt in Basel.

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