Yorick Goldewijk, Cato und die Dinge, die niemand sieht
„Cato war zwölf, als ihr Vater sagte, dass sie endlich erwachsen werden sollte. Weil er nur selten etwas zu ihr sagte, war das für sie etwas Besonderes. Schade nur, dass er sich ausgerechnet etwas so Unsinniges ausgesucht hatte. Cato war ein Kind und brauchte noch lange nicht erwachsen zu werden. Und auf keinen Fall wollte sie jemals auf die Art erwachsen werden, wie er es war.“ (S. 9)
Die zwölfjährige Cato hat ihre Mutter nie kennengelernt, weil diese bei ihrer Geburt gestorben ist. Sie leidet unter der Last, „schuld“ am Tod ihrer Mutter zu sein, aber auch darunter nichts von ihrer Mutter zu wissen. Ihren Vater erlebt sie meist als geistesabwesend, der nie ein Wort über ihrer Mutter verliert und außer einem Foto, das ihre schwangere Mutter in einem roten Sommerkleid zeigt, und ihr selbst gibt es nichts, das an sie erinnert.
Cato hat es mittlerweile aufgegeben zu ihrem Vater durchzudringen, der nichts wahrzunehmen scheint, was mit ihr oder der Welt vor sich geht. Betreut werden die beiden von Cornelia, die mehrmals die Woche zum Putzen und Kochen vorbeischaut. Cato kann sie nicht besonders leiden, weil sie sich zu sehr in ihr Leben einmischt und die Unordnung in ihrem Zimmer kritisiert. Am meisten nagen jedoch die Schuldgefühle an ihrer Seele:
Wäre Cato nicht geboren worden, würde ihre Mutter noch leben. (S. 12)
In der Schule wird Cato als Einzelgängerin gesehen, die mit einem gewissen Respekt betrachtet wird, seit sie in der Vierten Klasse dem zwei Jahre älteren Niek einen Schlag auf die Nase gegeben hatte, der diesen rückwärts auf den Boden fallen hat lassen. Dabei hatte ihr dieser nur gestehen wollen, dass er in sie verliebt sei.
Eingezwängt in dem tristen Alltag zwischen einem geistesabwesenden Vater und einer unerträglich aufdringlichen Putzfrau entdeckt sie eines Tages eine Visitenkarte mit der Aufschrift
Frau Kanos Kino. Filme, die nirgends laufen, aber die du schon immer sehen wolltest. (S. 23)
Ihr Vater erklärt, keine Frau Kano zu kennen und so beschließt Cato der Sache selbst auf den Grund zu gehen. Sie sucht das Kino auf und wird überaus freundlich von Frau Kano empfangen, die ihr ganz unerwartet den Job anbietet, für die Neueröffnung des Kinos bei der Reinigung zu helfen. Sie ahnt nicht, dass es sich um ein ganz außergewöhnliches Kino handelt, in dem einzelne Besucher, ganz spezielle Augenblicke in der Vergangenheit besuchen können. Für Cato eröffnen sich damit ganz neue Möglichkeiten, um endlich ihre Mutter kennen zu lernen. Dabei muss sie eine Entscheidung treffen, die ihr ganzes Leben verändern kann.
Yorick Goldewijk erzählt in ihrem Kinder- und Jugendroman einfühlsam die Geschichte einer traurigen Heldin, die mit dem Tod ihrer Mutter und den damit verbundenen Schuldgefühlen zurechtzukommen versucht und die fantastische Möglichkeit erhält, den wichtigsten aber unbekanntesten Menschen kennenzulernen.
Die berührende Geschichte überzeugt durch starke Protagonisten und einen spannenden Plot, der die jungen Leserinnen und Leser von Beginn an in ihren Bann zu ziehen vermag. Die klare Sprache und die überraschenden Wendungen machen das Buch zu einem bewegenden Leseerlebnis.
Yorick Goldewijk, Cato und die Dinge, die niemand sieht. Übers. v. Sonja Fiedler-Tresp [Orig. Titel: Films die nergens draaien], ab 10 Jahren
Hamburg: Dragonfly Verlag 2024, 240 Seiten, 15,50 €, ISBN 978-3-7488-0260-0
Weiterführende Links:
Dragonfly Verlag: Yorick Goldewijk, Cato und die Dinge, die niemand sieht
Homepage: Yorick Goldewijk (holl.)
Wikipedia: Sonja Fiedler-Tresp
Andreas Markt-Huter, 01-02-2024