Palmi Ranchev, Der Weg nach Sacramento

Buch-Cover

Die einzige Triebfeder, die die Menschen auf allen Kontinenten in Bewegung hält, scheint die Sehnsucht nach Glück zu sein. Und immer wieder enden Glücksvorstellungen in Amerika, weil das Glück dort zumindest in der Verfassung steht.

Palmi Ranchev erzählt die Geschichte vom Glück gleich zweimal, einmal in Gestalt des jungen erwachsenen Pavel, der nach seinem Militärdienst bei seiner Großmutter im Plattenbau von Sofia lebt, und zum zweiten von dessen Vater, der vor zwanzig Jahren aus Bulgarien ausgewandert ist und in Sacramento wohlhabend geworden ist.

Während Pavels Geschichte in eine düstere Zukunft weist, läuft die Uhr des Vaters offensichtlich ab und die Zeiger seiner Lebensuhr wandern auf den Herzinfarkt zu. Der Vater muss folglich sterben, um dem Sohn ein glückliches Leben ermöglichen zu können. Denn Pavel hat nichts anderes im Sinn, als mit dem ererbten Geld möglichst schnell aus Bulgarien abzuhauen.

Das Unglück zu glauben, zu Lebzeiten ins Paradies einzuziehen. Das Glück zu glauben, zu Lebzeiten ins Paradies einzugehen. Das Glück, aus diesem Grund unglücklich zu sein. Das Unglück, aus diesem Grund glücklich zu sein. (212)

Der Vater formuliert seine Glücksphilosophie am liebsten als Stück weißes Papier, in das er die Dollars einwickelt, ehe er sie von Amerika aus nach Bulgarien schickt.

Denn Sohn Pavel hat dort den puren Überlebenskampf zu führen. Da mit dem Mullsammeln seiner Oma nichts weitergeht, schließt er sich einer Drogenbande an, zumal es dort auch endlich günstige Mädchen zu geben scheint, die sexuelle Erfahrung haben. Diese heftige sexuelle Beziehung mit dem Drogengirl Mariana ist freilich nur von kurzer Dauer, denn der Sex wird meist von Schießereien im Bandenkrieg unterbrochen. Die Geliebte bringt sich deshalb auch um, weil sie dem ständigen Kampf nicht mehr gewachsen ist. Und gerade als Pavel in den Strudel der Drogen zu versinken droht, kommt die erlösende Nachricht von der Erbschaft. Jetzt ist die komplette Abreise angesagt.

Palmi Ranchev erzählt unverblümt von der Hinterseite der Sofioter Gesellschaft, aber es ist zu befürchten, dass es sich dabei auch um die Vorderseite handelt. Diese Gesellschaft scheint so korrupt zu sein, dass sie nicht mehr repariert werden kann. Die einzig brauchbare Gegenmaßnahme scheint wie so oft das Abhauen zu sein. Freilich kann Sacramento vielleicht irdisches Glück verschaffen, gegen das schlechte Gewissen der Flucht hilft es keinesfalls. Glück und Unglück sind eben zwei Seiten der gleichen Münze. - Ein desaströser Bildungsroman mit rabiatem Ausgang!

Palmi Ranchev, Der Weg nach Sacramento. Roman. A. d. Bulgar. von Alexander Sitzmann. [Orig.: ?Posoka Sakramento, Sofia 2000].
Berlin: edition Balkan Dittrich 2011. 222 Seiten. EUR 18,30. ISBN 978-3-937717-56-2.

Palmi Ranchev, 1950 in Sofia, lebt in Sofia.

Helmuth Schönauer, 04-12-2011

Bibliographie

AutorIn

Palmi Ranchev

Buchtitel

Der Weg nach Sacramento

Erscheinungsort

Berlin

Erscheinungsjahr

2011

Verlag

edition Balkan Dittrich

Seitenzahl

222

Preis in EUR

EUR 18,30

ISBN

978-3-937717-56-2

Kurzbiographie AutorIn

Palmi Ranchev, 1950 in Sofia, lebt in Sofia.

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