Egyd Gstättner, Absturz aus dem Himmel

Buch-Cover

Die hohe Kunst des Romans liegt darin, eine Geschichte so aufzulösen, dass sie auch außerhalb der jeweiligen Lesegegenwart aktuell ist.

Egyd Gstättner hat sich für seinen Roman, bei dem es um das Aushalten der Gegenwart, um sterben und unsterblich sein geht, eine hochartifizielle Verquickung der Zeitebenen einfallen lassen. Wie schon der Titel ?Absturz aus dem Himmel sagt, müssen himmlische Erlösungsvorstellungen oft irdisch unterbrochen werden, damit sich ein höherer Sinn einfindet.

Der Schriftsteller Jan Philipp Möller erhält eines Tages ein Manuskript zurück, das er vor einem Vierteljahrhundert an einen Verlag geschickt hat. Natürlich reißt er seine Ergüsse von damals aus dem Kuvert und gerät in einen Zeitflash, so also hat man damals geschrieben, so also haben sich die Dinge damals zugetragen.

Während der Dichter sein altes Manuskript wieder liest und aufarbeitet, bröselt ihm immer die aktuelle Gegenwart in das Geschehen, zumal er gerade eine Dissertantin angesetzt bekommen hat, die sein Gesamtwerk erforschen soll.

Thesen aus dem alten Roman, Fragen der Dissertantin und Lebensweisheit des inzwischen literarisch gereiften Dichters ergeben einen Erfahrungspool, in dem das Zeitlose in den Vordergrund tritt.

Wenn ich noch einmal auf die Welt komme, lasse ich mir als erstes die Zähne reparieren. Parolen: Niemals arbeiten! Keinem dienen! Sich nichts und niemandem unterwerfen! Allen misstrauen. Allem misstrauen. Keine Kritik akzeptieren, keine Ehrung, kein Urteil. [...] Ein freier Mensch werden. Ein freier Mensch bleiben. Der erste Meister werden, der vom Himmel fällt. (41)

Natürlich wird das Programm von früher oft zu einer Karikatur in der Gegenwart, das hat der Lauf der Geschichte so an sich. Dennoch ergibt sich immer wieder eine saftige Rotverschiebung in den Lebensgrundsätzen.

Du liebe Güte, was musste die arme intellektuelle Jugend früher theoretisch sein! Heute muss sie nur noch konsumieren. (64)

Während in der ersten Hälfte des Romans eher der Lauf der Literatur, die Anpassung eines Autors in den Literaturbetrieb und das unbarmherzig triviale Verhalten des Literaturmarktes im Vordergrund stehen, wird es im zweiten Teil ziemlich existenziell. Mitten in einer Gartenidylle erleidet der Vater des Dichters einen Herzinfarkt und stirbt im Krankenhaus, ohne noch die Sachen zu Hause ordnen zu können, die sich mitten aus dem Leben heraus in eine sinnlose Hinterlassenschaft verwandeln.

Und auch der Dichter erleidet in Spanien mitten in der Erforschung des Unsterblichkeitsforschers Unamuno einen Herzinfarkt, der ihn erst vor Schmerz und anschließend vor Sinnlosigkeit halb wahnsinnig werden lässt. So also schaut ein Meister aus, der vom Himmel gefallen ist, sterblich, vor Schmerz krumm und vor Sinnsuche rasend.

Egyd Gstättner erzählt gerade in dieser Endlichkeit letztlich eine unsterbliche Geschichte.

Egyd Gstättner, Absturz aus dem Himmel. Roman
Wien: Picus 2011, 220 Seiten, 19,50 €, ISBN 978-3-85452-676-6

 

Helmuth Schönauer, 29-11-2011

Bibliographie

AutorIn

Egyd Gstättner

Buchtitel

Absturz aus dem Himmel

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2011

Verlag

Picus

Seitenzahl

220

Preis in EUR

EUR 19,50

ISBN

978-3-85452-676-6

Kurzbiographie AutorIn

Egyd Gstäettner, geb. 1962, lebt in Klagenfurt.

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