Magdalena Kauz, wortgestöber

Buch-CoverWortgestöber! Da ist man als Leser sofort drin in einer heftig aufgerührten Landschaft, wie sie vielleicht Paul Flora durch die Winter schickt, oder man denkt an ein Kinderlied, wo es draußen heftig zugeht und drinnen in "Muaters Stübele" sitzt die Wärme.

In den Gedichten von Magdalena Kauz stürmt es von Anbeginn heftig, das erste Gedicht fetzt ohne Punkt über die blanke Seite,

worte / jagen über / seiten / prallen an / ränder / schnellen ins / weiss // kann sie nicht halten / schiessen los / machen / flecken / als wüssten sie schon // wortgestöber (5)

Ähnlich ungestüm springen Strommasten in die Landschaft, löst sich jäh eine Fasnacht von den Häuserzeilen oder stolpert der Komiker vom Silvestersketch ewig aufgeregt über das Tigerfell.

Aber auch die sachten Gesten entwickeln diesen überraschenden Griff, mit dem während des Tangos die Erotik einspringt mitten im Schritt oder ein Dichter der zarten Handschrift jäh an Herzversagen stirbt. Die Gedichte sind in thematischen Becken ausgebreitet, die mit Buchstaben durchnummeriert sind, dabei spielen jeweils Farben der Empfindung eine einstimmende Rolle, es gibt ein rotes Heft, einen ocker Stein der Erinnerung oder "alles weiss".

Das lyrische Ich tritt nur sporadisch auf, aber es reist sehr viel, nicht nur in Länder sondern auch in Kulturtechniken. So treten die Gedichte oft im Kleid von abgestorbenen Schlagzeilen auf, manchmal rücken Fragmente einer halb verrotteten Parole kurz ins Bewusstsein oder ein Satz bleibt in der Abspielmaschine hängen und macht sich selbst verrückt. Das Wortgestöber setzt verlässlich dann ein, wenn das Sprachwetter geglättet erscheint.

Die Gedichte von Magdalena Kauz sind zart und spitz wie Wetterkristalle, die sich als weicher Schnee oder scharfer Hagel auswachsen können. In der oft samtig unscharfen Grundszenerie wirken die intellektuell ausgefeilten Sprachschlieren umso schärfer, wenn sie in Kritik von Kulturabläufen oder politischen Zuständen münden.

Die Gedichte sind sorgfältig aufgebaut wie Short Cuts im Film, nichts geschieht zufällig und dennoch wirkt es letztlich easy. Hier ist es einer Meisterin der Filmdramaturgie gelungen, die Erfahrung aus der Filmkunst unauffällig schön in die Lyrik zu übertragen.

Magdalena Kauz: wortgestöber. Lyrik.
Innsbruck: Skarabaeus 2005. 125 Seiten. EUR 14,-. ISBN 3-7082-3189-9.

 

Helmuth Schönauer, 24-05-2005

Bibliographie

AutorIn

Magdalena Kauz

Buchtitel

wortgestöber

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2005

Verlag

Skarabaeus

Seitenzahl

125

Preis in EUR

EUR 14,-

ISBN

3-7082-3189-9

Kurzbiographie AutorIn

Magdalena Kauz, geb. 1963 in Luzern, lebt als Fernsehdramaturgin in Innsbruck, Basel und Zürich.

Themenbereiche