Elmore Leonard, Dschibuti

Buch-Cover

Nichts ist so schwer zu erzählen wie Anarchie und Auflösung der Ordnung, denn jede Erzählung schafft ja Ordnung und zerstört dadurch die Anarchie.

Elmore Leonhard, bekannt für speedige Romane weit jenseits der Rechtsordnung, greift mit dem Roman Dschibuti in die Seeräuberei vor Somalia ein. Der Blickwinkel wechselt dabei von Seite zu Seite oder von Einstellung zu Einstellung. Dschibuti nämlich ist vorerst nämlich ein Haufen digitales Rohmaterial, aus dem die Regisseurin Dara Barr vielleicht einen Dokumentarfilm, vielleicht aber gar einen Spielfilm machen will. Der Titel jedenfalls ist klar: "Dschibuti", knapp wie der Film-Mythos "Casablanca".

Der Roman entwickelt sich in der Hauptsache als Kommentar, den die Regisseurin und ihr sexuell fitter Kameramann zu den jeweiligen Sequenzen geben. In Würsten von Rohmaterial sehen wir Leser eine aufgequollene Meer-Landschaft, aus den Fugen geratene Systeme und Heroen, die nichts zu verlieren haben aber wenigstens wissen, was der Sinn der Welt ist: Nämlich Kohle zu machen für schwarz-scheibige Limousinen, weiße Yachten und bunten Sex. Und dazwischen frisch eingeflogenes Kat, das die Welt in eine geile Kau-Masse verwandelt.

In dieses Ambiente ist die Geschichte einer Schiffs-Sprengung als Hauptstrang eingedreht. Terroristen, amerikanische Agenten, ein in Sinnlosigkeit getarnter Milliardär, klug mit Sexualität bewaffnete Frauen und jede Menge Somalis, die die das Gesetz des Handelns jeden Tag neu definieren. - Das alles führt zu einer gigantischen Explosion eines Flüssiggas-Tankers, der in Cinemascope das Ende der Weltordnung bebildert.

Wie in einem Film sind es die eleganten kleinen Begebenheiten, die den Roman Dschibuti schmackhaft ironisch machen. Als ein Widersacher auf den Meeresgrund versenkt werden muss, ist gerade nichts greifbar, womit man seine Beine beschweren könnte. Da muss ein X-Large Fernseher herhalten, der den Liquidierten mit sanften Bildern in die Tiefe zieht.

An anderer Stelle überlebt ein Akteur nur, weil er einen Bentley fährt, welcher das Lenkrad auf der falschen Seite hat. Der Killer kann in der Dunkelheit nicht umdenken, und schießt in die leere Seite der Windschutzscheibe.

Ein Gefängnis-Insasse gilt als besonders brav: "Ich. Ich mache keinen Ärger, ich lese!" (155)
Als eine Frau erschossen wird, steigt Rauch unter der Burka auf. (160)

Elmore Leonhard erzählt straff, jeder Wortwechsel ist zu einer bemerkenswerten Pointe zugespitzt. Dabei wird alles auf die Schaufel genommen, indem Habitus und Zitate von Filmhelden in einem somalischen Piraten Umfeld auf ihre Brauchbarkeit getestet werden.

Er ist zweiundsiebzig, wie lange kann er das [mit dem Sex] noch durchhalten, wenn er in die Gänge kommt? (172)

Dschibuti ist ein wahnwitziger Roman über den Sinn der Welt am Ende der Welt.

Elmore Leonard, Dschibuti. Roman. A. d. Amerikan. von Conny Lösch. [Orig.: Djibouti, New York 2010]
Frankfurt/M: Eichborn 2011, 319 Seiten. EUR 20,60. ISBN 978-3-8218-6142-5

 

Helmuth Schönauer, 09-01-2012

Bibliographie

AutorIn

Elmore Leonard

Buchtitel

Dschibuti

Originaltitel

Djibouti

Erscheinungsort

Frankfurt

Erscheinungsjahr

2011

Verlag

Eichborn

Übersetzung

Conny Lösch

Seitenzahl

319

Preis in EUR

20,60

ISBN

978-3-8218-6142-5

Kurzbiographie AutorIn

Elmore Leonard, geb. 1925, lebt in Oakland County, Michigan.

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