Franz Josef Weißenböck, Übrigens

Buch-CoverWenn in einem normalen Verlag plötzlich ein promovierter Theologe publiziert, heißt es für den klugen Leser: Vorsicht, ungefragte Gottesbeweise liegen in der Luft!

Mit "Übrigens" beginnen meist Ministrantenwitze, an deren Ende mäßiges Gelächter vom langen Gesicht auf die angeklatscheten Oberschenkel rinnt. Franz Josef Weißenböck erzählt uns in seinem Übrigens ungefragt neun Interviews mit Machiavelli, Erasmus, Thomas Morus, Montaigne, Pascal, Stendhal, Dostojewskij, Tolstoj und Tucholsky.

Alle haben irgendwie mit Theologie zu tun oder werden in dieses Fahrwasser eingeschifft. Ohne Glauben kann man nicht leben "ich bin ein Kind des Unglaubens" ein frischer Tod ist der beste "mich haben sie falsch geboren" durch die dickste Finsternis hindurch sehen, was nirgends ist.

In einem Rätsel für transzendente Fragen kann man die Aufmacher der einzelnen Interviews den einzelnen Personen zuordnen, also Tolstoj kann ohne Glauben nicht leben und Dostojewskij ist ein Kind des Unglaubens und so fort.

Die Interviews sind zwar gut gemeint, aber der sokratische oder jesuitische Trick zieht eben nicht, wenn die Botschaft schon von vornherein feststeht, da ist man mit einer Kurzlektüre in Wikipedia wirklich schneller und unterhaltsamer am Ziel.

Machiavelli wir beispielsweise gefragt, was für einen Regierenden besser ist, geliebt oder gefürchtet zu werden? Die Antwort ist no-na, dass man sowohl das eine wie das andere sein soll. (17)

Die fertigen Interviews sind sicher nicht gerade das Gelbe vom Ei, das liegt an der Dramaturgie von Interviews. Entweder ich weiß als Leser, worum es geht, dann muß ich nicht blöd fragen lassen, oder ich weiß nichts, dann schaue ich im Lexikon nach. Einen Sonntagsprediger, der mir als Medium die Geschichte erklärt, kränkt eigentlich den halbwegs aufgeklärten Leser in mir.

Als Regieanregung, wie man vielleicht einmal in einer gepflegten Runde über ein Thema diskutieren könnte, ist das Buch übrigens nützlich.
Übrigens: Die Widmung "Tibi" am Beginn des Buches ist auch so ein Theologenscherz, soll wahrscheinlich heißen "dir/für dich", ist aber vielleicht die Abkürzung für Tibeter, immerhin ein völlig göttliches Volk.

Franz Josef Weißenböck: Übrigens. Gespräche mit großen Geistern aus sechs Jahrhunderten. Mit einem Vorwort von Adolf Holl.
Innsbruck: Haymon 2005. 173 Seiten. EUR 19,30. ISBN 3-85218-492-4.

 

Helmuth Schönauer, 06-10-2005

Bibliographie

AutorIn

Franz Josef Weißenböck

Buchtitel

Übrigens

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2005

Verlag

Haymon

Seitenzahl

173

Preis in EUR

EUR 19,30

ISBN

3-85218-492-4

Kurzbiographie AutorIn

Franz Josef Weißenböck, geb. 1949, lebt in Wien.