Hans Perting, Im Sechsten Arm

Buch-CoverEs gibt Jahre, die dicht sind. Und es gibt Jahre, die durchlässig sind. Immer wieder läutet diese Weisheit der Chronisten ein neues Kapitel in der Lebensgeschichte eines zum Katholizismus konvertierten Vinschgers ein.

Salomon Glauber hat in der Identitätsleere Südtirols nach 1918, als das Land zwischen Koma, Saint Germain, Italien und verblichener Habsburger Monarchie zu verschwinden droht, seine Konfession gewechselt, der Liebe willen. Als Jude ist er Katholik geworden, obwohl das irgendwie nicht geht, und auch Südtirol ist italienisch geworden, was scheinbar auch nicht geht.

Hans Perting erzählt episch weitläufig und dennoch in kurzen atemlosen Sätzen, wie es die Glaubers durch Italien treibt, jedes Jahr in eine andere Stadt, mal dem Reishandel hinterher jagend, mal der Hungersnot vorauseilend. Die Sätze gleichen dabei Aufschriften oder Menetekels. Egal, ob Beschreibung, Bericht oder Zitat, in schroffem Satzbruch wird der Roman atemlos zu Ende erzählt.

Der Sohn Salomons wird in die Zeitgeschichte des Duce verwickelt. Als die Juden Italiens deportiert werden, kommt auch er noch dran und wird im berüchtigten "sechsten Arm" des Gefängnisses in Rom eingekerkert, dort wo die "Politischen" und Querdenker einsitzen. Der Schluss bleibt offen wie ein Projektil, das gerade den Gewehrlauf verlassen hat.

In einer Nachbemerkung erzählt Hans Perting den Zusammenhang zwischen Roman und jenen Fakts, die er erzählt bekommen hat. Das Schicksal der Glaubers ist authentisch auf konkrete Geschehnisse bezogen, andererseits repräsentieren die Glaubers auch jenes Südtirol, das hastig durch die Zeitwallungen driftet.

Ein Glossar und jede Menge Fußnoten verknoten die Fiktion beinahe reibungslos mit lexikalischen Fakts. Erzähltechnisch interessant ist der Spielraum zwischen Meinung der Figuren und Meinung des Kommentators in den Fußnoten. Da wird etwa Papst Pius XII in einem Kommentar aus der Hüfte heftig gelobt (269), weil er trotz der Deportation der Juden 4500 von ihnen in Klöstern rund um Rom verstecken ließ. Diese Fußkommentare sind eine interessante Möglichkeit, Meinung diskret zu platzieren.

Andererseits erfahren scheinbar triviale Begebenheiten eine religiöse Würdigung, indem sie mit Zitaten aus jüdischem oder katholischem Glaubensschatz unterlegt werden.

Die Jugend nährt sich von Träumen. Das Alter von Erinnerungen.(98)

Im Jiddischen klingt es dann noch wahrer und glaubhafter und passt an jeder Stelle.

Hans Perting: Im Sechsten Arm. Roman.
Brixen: Provinz Verlag 2005. 232 Seiten. EUR 16,30. ISBN 88-88118-25-X.

 

Helmuth Schönauer, 07-11-2005

Bibliographie

AutorIn

Hans Perting

Buchtitel

Im Sechsten Arm

Erscheinungsort

Brixen

Erscheinungsjahr

2005

Verlag

Provinz Verlag

Seitenzahl

232

Preis in EUR

EUR 16,30

ISBN

88-88118-25-X

Kurzbiographie AutorIn

Hans Perting, geb. 1963, lebt in Mals.

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