Günter Eichberger, Nein

Buch-Cover„Nein“ ist so das wichtigste Wort, das ein Kind während seiner Ersterziehung hört, kaum streckt es seine Finger irgendwohin aus, ruft schon jemand dieses penetrante Nein. Und später, wenn dieses Kind zu einem kaputten Erwachsenen geworden ist, sagt der Psychologe meist in der ersten Beratungsstunde: Sie müssen einfach lernen, nein zu sagen.

In Günter Eichbergers Nein geht es um ein literarisches Nein sagen, man muss während des Erzählens die Helden fallweise ausblenden, ihnen eine neue Erlebnisfläche schaffen und mit dem raffinierten Wort „nein“ eine ganz andere, nein völlig andere Richtung geben.

Zu diesem Zweck ist der Weltzugang in drei Abschnitte gegliedert.

„So ein Schatten von etwas“ führt die ersten philosophischen oder literaturtechnischen Sätze vor, das ist nicht das Nichts, heißt es zu Beginn. Und dann wird allmählich die Geschichte angeworfen, der Held hält sich viel am Meer auf und fährt ständig mir der Eisenbahn. Großer Leckerbissen für den Leser ist dabei die Vorstellung, in guten Eisenbahnzügen könnte es ein eigenes Abteil fürs Onanieren geben, und man ist angehalten, sich ein entsprechendes Hinweisschild für das Abteil vorzustellen. (34)

Die Pläne, Vorstellungen und Entwürfe sind tatsächlich ein Schatten von etwas und das Kapitel wird auch dem Wittgenstein-Satz zugeordnet: Denn die Wahrheit ist viel ernster als die Fiktion.“

Im zweiten Kapitel geht es um die klassische Verfahrensweise, etwas „nach der Natur“ zu gestalten. In diesem Falle gibt Max Stirner die Parole aus: Meine Sache ist weder das Göttliche noch das Menschliche, ist nicht das Wahre, Gute, Rechte, Freie usw., sondern allein das Meinige.

Hier gibt es schöne Möglichkeiten, wie man dem generellen Nein entkommen könnte, beispielsweise durch die Erfindung von Orten, die völlige Neukonstruktion von Inseln, Regeln, Ansichtskarten, ja geradezu durch die Konstruktion von Utopie. „Was wir nicht verstehen, übersetzen wir“ (54) lautet so ein heißer Tipp. Und die Übererkenntnis endet lapidar mit der Feststellung: 

Wem die Welt, die er vorfindet, nichts gibt, der muß sich eine eigene bauen. (66)

Das dritte Kapitel gibt wirklich durchgehend Sinn: Das Leben kosten. „auf der straße sollst du grüßen / und zuhause artig sein / denn für fehler musst du büßen / und sag danke niemals nein.“ Dieser Spruch geht auf den Grazer Allroundkünstler Gunter Falk (1942-1983) zurück. Das Leben kosten ist einerseits die Aufforderung, es wirklich auszukosten, andererseits ist es auch der finale Preis, es kostet das Leben.

Günter Eichbergers Nein liest sich sehr ermunternd, man lässt sich die Sätze, die man gerade ungeniert in den Mund genommen hat, noch einmal mitten im Mund umdrehen, ehe man über den tieferen Sinn des Gesagten nachdenkt. Der Weg zur Fiktion, der Genuss derselben und das gleichzeitige Verlöschen in der Reflexion passiert bei Günter Eichberger oft während eines einzigen Absatzes. - Huch, und hintennach merkt man, wie philosophisch gut man in der Lektüre unterwegs war, weil es eine durchgehend spannende Geschichte ist, die einen da umdräut, während man nicht nein sagen kann.

Günter Eichberger: Nein.
Klagenfurt: Ritter 2006. 119 Seiten. EUR 22,80. ISBN 3-85415-388-0.

 

Weiterführende Links:
Ritter-Verlag: Günter Eichberger, Nein
Wikipedia: Günter Eichberger

 

Helmuth Schönauer, 24-07-2006

Bibliographie

AutorIn

Günter Eichberger

Buchtitel

Nein

Erscheinungsort

Klagenfurt

Erscheinungsjahr

2006

Verlag

Ritter

Seitenzahl

119

Preis in EUR

22,80

ISBN

3-85415-388-0

Kurzbiographie AutorIn

Günter Eichberger, geb. 1959 in Oberzeiring/Steiermark, lebt in Graz.