Christine Huber, über maß und schnellen

Buch-CoverMit halb gekniffenem Auge durchgeblättert wirken die Gedichte vorerst graphisch ruhig wie vor dem Sturm, und die Lithographien sind so etwas wie Gebrauchsanleitungen für dynamische Prozesse.

Manchmal gleichen diese Bilder einem Fax, dessen Übertragungsmodus mitten in der Sendung in einen andern Zustand gewechselt hat, einige Bilder sind Dünen der Gegenwart, die sich beim Anblick über das Blatt hinaus verschieben, andere Skizzen wiederum sind Reibspuren eines längst über die Zeichenfläche gestrichenen Windes.

Die Gedichte haben sich wirklich nur schlafend gestellt für den ersten Eindruck, beginnt man sie zu lesen, springen sie auf wie Klappmesser für eine lang erwartete Jause.

beobachten wendet ein strich / im gemäuer bewegt die landschaft / in weitem taumeln die berechnungen … (41)

Die Beobachtungen sind mehrdeutig angelegt, nach innen gekehrt, als dynamischer Prozess, als Hülle für die Außensicht und immer wieder als Gebrauchsanleitung nach der Zauberformel „how to handle“. Der Leser dieser Gedichte ist jäh verstrickt, denn es geht stets um seine Art, die Welt wahrzunehmen.

Manchmal sprechen die Vorgänge kalt und ungefiltert zum Leser, manchmal baut sich so etwas wie eine lyrische Stimme auf, die den Leser bei der Hand nimmt und ihn wie durch eine Werkstatt des Schauens führt.

leicht könnte der ratschlag dies aus tasten / oder könnte dies aus ratschlag auf warten / könnte aber aus wo der schemen wegen / unschlüssig vor den dingen zum greifen / und das fragen fingert die zeige das orte auf / und unter ein staunen knetet leicht (17)

Während des Sehens kann der Blick verrutschen, jemand empfiehlt stabile Fügungen, damit sich der Blick wieder verfestigen möge, aber da rutscht plötzlich das Objekt beiseite, wieder braucht es ein Nachjustieren, da verändert sich vielleicht gar die Optik und die beruhigenden Sätze, wie man so einen richtigen Blick aufsetzen sollte, verhallen wieder ins Leere.

Irgendwo hier lässt sich auch die Bedeutungskraft des Buchtitels abschätzen, „über maß und schnellen“ handelt von Maßeinheiten, die elastisch und behände überschritten werden müssen.

Christine Huber legt über die scheinbar gefestigten Fügungen immer einen Schleier aus Zeit, Wind, optischer Trübung oder generellen Verschlierung. Man mag als Leser Schleier lüpfen wie man will, immer wird etwas Vages und Unscharfes zwischen dem Text und dem Leser liegen, weil es eigentlich der Leser selbst ist, der diese Unschärfen in den Text einarbeitet beim Dechiffrieren.

So entsteht allmählich meditativ gut abgelegte Stimmung, die Gedichte sind letztlich fest und sicher, obwohl sie sich bei jedem Anlesen erneut verändert haben.

Christine Hubers Gedichte kann man als meditative Gebrauchsanweisungen lesen, die verlässlich in Poesie münden.

Christine Huber, über maß und schnellen. Mit Lithographien der Autorin.
Wien: Das Fröhliche Wohnzimmer 2006. 72 Seiten. 10,50 €, ISBN 978-3-900956-81-3

 

Weiterführende Links:
Edition-Das Fröhliche Wohnzimmer: Christine Huber: über maß und schnellen
Wikipedia: Christine Huber

 

Helmuth Schönauer, 27-07-2006

Bibliographie

AutorIn

Christine Huber

Buchtitel

über maß und schnellen

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2006

Verlag

Das Fröhliche Wohnzimmer

Illustration

Christine Huber

Seitenzahl

72

Preis in EUR

10,50

ISBN

978-3-900956-81-3

Kurzbiographie AutorIn

Christine Huber, geb. 1963, lebt in Wien und Mörbisch.

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