Manfred Chobot, nach dirdort

Buch-Cover„Präservativ am Stammplatz“ / „Christus ohne Kopf“. - Wie passen diese Dinge zusammen? Und wodurch unterscheiden sie sich?

Nun, Präservativ am Stammplatz ist ein Gedicht über eine zum steifen Ritual gewordene Liebe und Christus ohne Kopf ist ein raffiniert aufgenommenes BildGedicht der Christusstatue aus Rio de Janeiro.

Manfred Chobot verfestigt seine Bilder mit Lyrik und fugt die Freiräume zwischen den Bildern mit Gedichten aus. So entsteht ein zeitloses Gegenwartslexikon subtiler Wahrnehmung. Das lyrische Ich knechtet sich manchmal mit schweren Gedanken, ehe es auf den Auslöser drückt und ein Foto der Erleichterung schießt. Das lesende Auge wird hell und dunkel, jäh und langsam, nah und fern durch jene Welt geleitet, die sich Abenteuer Eigenleben nennt.

Nach dirdort ist natürlich einmal eine geographische Reise um die halbe Welt, dabei werden die Reiseziele ständig auf den Kopf gestellt. Und über diese große Reise in Kilometern und Bildern ist eine mindestens so große oft erotische Reise zum Gegenüber gelegt.

Meistens ist dieses Gegenüber noch nicht genau auszumachen und das „dirdort“ wird zu einem Zuruf wie Hallo du dort, manchmal aber sitzt dieses andere Bild von einem Menschen in der Kindheit oder in den Genen, die der Vater hinterlassen hat. So kann das lyrische Ich mittendrin durchaus selbstbewusst behaupten: „Mein Vater war ein Schmetterling!“ (124)

Überhaupt sind die Gedichte oft mit einer starken Schlagzeile ausgestattet, „gespeichelte Vertraulichkeit“, „in der Hand den Kopf“, „Luft zwischen Schlafsäcken“. Dabei werden subtile Vorgänge mit dem Schlagzeilen-Scheinwerfer der Öffentlichkeit aufgeblendet, ehe sich die Gedichte dann mit den Zeilen der Zeit wieder zurückducken dürfen in die innerste persönliche Ecke.

Eine höchst persönliche Serie nennt sich „Todestag meines Vaters“, darin tauchen Erinnerungsbilder auf, setzen sich jäh in die stumpfer Feierlichkeit der Gegenwart.  Erinnerungsstücke werden aus einer zu groß geratenen Baustein-Schachtel auf den Tisch geleert und lassen sich zu nichts mehr zusammenbauen, allmählich verklumpen die Gegenstände zu einem Abzählreim in die Vergangenheit.

Die Gedichte Manfred Chobots tragen immer auch das Achselzucken in sich, dass sie vielleicht nicht durchkommen zum hintersten Sinn, weil sich während des Gedichtes schon wieder die Einstiegskoordinaten verändert haben.

Als Leser surft man zwischendurch über die Bilder voller Skurrilität, vor einem Sex-Shop liegen die Faschingslarven mit zu kurz geratenen Penissen im Gesicht, ein frisches Erdbeben hat einen scharfen Riss im Asphalt hinterlassen, zwei Zapfsäulen rosten über einem Ananas-Arrangement ihrem Bildende entgegen. Wir erkennen die Kontinente, die BildGedichte sprechen scheinbar reale Situationen an, wie wir sie aus Prospekten und Presseagenturen kennen.

Aber wir blätternden Beobachter können uns darauf verlassen, jedes Bild ist leicht abgeschrägt, verändert, hat einen seltsamen Stich. Mit der Zeit gewöhnen wir uns argwöhnisch geworden an dieses besondere Drehmoment eines Motivs, und siehe, ab und zu ist ein Bild dabei, so unverfälscht, dass wir es nicht wahrhaben wollen und es stracks selbst verfremden.

„nach dirdort“ ist ein Buch zwischen allen Kontinenten, quasi ein interkontinentales Sinneserlebnis zu sich selbst.

Manfred Chobot, nach dirdort. Gedichte und BildGedichte.
St. Pölten: Literaturedition Niederösterreich 2005. 181 Seiten. 28,- ISBN 978-3-901117-78-7

 

Weiterführende Links:
Literaturedition-Niederösterreich: Manfred Chobot, nach dirdort
Homepage: Manfred Chobot

 

Helmuth Schönauer, 13-09-2006

Bibliographie

AutorIn

Manfred Chobot

Buchtitel

nach dirdort. Gedichte und BildGedichte

Erscheinungsort

St. Pölten

Erscheinungsjahr

2005

Verlag

Literaturedition Niederösterreich

Illustration

Manfred Chobot

Seitenzahl

181

Preis in EUR

28,00

ISBN

3-901117-78-4

Kurzbiographie AutorIn

Manfred Chobot, geb. 1947, lebt in Wien.

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