Herbert Maurer, Im Schatten der Hirschin

Buch-CoverWährend allenthalben die Würdenträger Österreichs auf das Abknallen eines formidablen Hirsches aus sind, liefert die Hirschin den Unterleib dieser Geisteshaltung. Fast jede Lederhose ist aus einer Hirschin gefertigt, deren Haut musisch, dramatisch oder lyrisch sich um die Genitalien des Lederhosenträgers schmiegt.

In Herbert Maurers Landschaftsdrama laufen die Berühmtheiten des Ausseer Landes halb auf der Bühne, halb in der Realoperette Österreichs frei herum, springen wie ehemals die Hirschin durch die Landschaft und messen einander an der Große der Lederhose. Paula Wessely bringt gleich in der Ouvertüre einen edlen österreichischen Singsang auf die Bühne, der sofort von Attilas dröhnendem Burgtheatergequassel konterkariert wird.

Hofmannsthal ist sich nicht sicher, ob er sich nicht gleich Hugo von nennen sollte, um das halbedle „Von“ zwischen das Gerippe seiner Lederhose zu klemmen. Und Friedrich Torberg erst: oberhalb der Tischkante verzehrt er alles aus Literatur und Küche, da ihm alles wie Wildbret erscheint, unterhalb der Tischkante frönt er der literarischen Nachwuchspflege, ständig auslugend nach einer jungen Hirschin, welche die Kaffeehausliteratur bereichern könnte.

Was passiert, wenn man sich in diesem provinziellen Lederhosengemenge im Stil vergreift, zeigt der ehemalige Außenminister Mock, der seinen Staatsbesuch in Jordanien mit sagenhaften Hotpants absolviert und so der Wadl-Diplomatie zum Durchbruch verhilft.

Natürlich geht auch Mister Androsch, jetzt Salzbaron, gut geledert und gefedert durchs Ausseer Land, grüßt alles, was adelig oder nach Graf Czernin aussieht, und wartet insgeheim täglich darauf, den größten Mimen zu treffen, den Österreich je hervorgebracht hat - Karl Maria Brando, der sich zwischendurch sich selbst verunglimpfend Brandauer nennt.

Herbert Maurer knallt in seinen dramatischen Erzählschüben die hohen Tiere aus Provinzpolitik, Halbadel und Literatur unbarmherzig nieder und windet ihnen die Trophäen vom Kopf. Jeder bekommt zudem seine individuelle Hirschhose verpasst, die oft so wunderbar geschnitten ist, dass man als Leser diese Tiere um das pervers gute Gefühl im Schritt beneidet.

Aus einer Collage von Seitenblicken, Bühnenprogrammen und patriotischer Literaturgeschichte entsteht plötzlich ein Stück ungemütlich blödes Österreich, das GPS genau in der Mitte des Landes um das Aussee herum angesiedelt ist. – Ein wonnigliches Kalendarium, das knallhart aufzählt, womit wir Tag für Tag in seichten Geschichten betäubt werden.

Herbert Maurer, Im Schatten der Hirschin. Ein Landschaftsdrama.
Salzburg: Otto-Müller-Verlag 2006. 103 Seiten. EUR 15,-. ISBN 978-3-7013-1114-9

 

Weiterführende Links:
Otto-Müller-Verlag: Herbert Maurer, Im Schatten der Hirschin
Wikipedia: Herbert Maurer

 

Helmuth Schönauer, 30-10-2006

Bibliographie

AutorIn

Herbert Maurer

Buchtitel

Im Schatten der Hirschin. Ein Landschaftsdrama

Erscheinungsort

Salzburg

Erscheinungsjahr

2006

Verlag

Otto-Müller-Verlag

Seitenzahl

103

Preis in EUR

15,00

ISBN

978-3-7013-1114-9

Kurzbiographie AutorIn

Herbert Maurer, geb. 1965 in Wien, lebt nach Sprachexkursionen in Bilbao, Venedig und Jerevan in Wien.