Christian Steinbacher, Zwirbeln, was es hält

Buch-CoverUnverwechselbare Gedichte entstehen oft dadurch, dass etwas knapp verwechselt wird. In Christian Steinbachers frechem Gedichtband vom Zwirbeln setzt man als Leser gleich einmal die Zwirbeldrüse in Position, aber das ist schon wieder so eine kleine Verwechslung, gezwirbelt wird ja üblicherweise am Bart, das im Kopf drin ist die Zirbeldrüse.

Der Haupteindruck ist vor allem frech, obwohl keine unanständigen Wörter vorkommen, benehmen sich die Gegenstände oft unanständig, um nicht zu sagen, ungewöhnlich daneben.

Nicht nur die Gegenstände benehmen sich unbekümmert, auch die Situationen sind allesamt entglitten, ein flächendeckendes Stillleben macht sich breit bis es zu vollendeter Lyrik auskristallisiert.

Hätt Stroh am Hut, Schwamm darob, werte Watte, Teig verzopf dich, verbrennt sein Fett, formt Hausgemachtes! Was wie verstümmelte Auszählreime klingt, sind ein paar lyrische Regalbeschriftungen, denn die Gedichte sind irgendwie artig in zwölf Regalen hausgemacht und eingeweckt.

Die Sprache des Haushalts, die diversen Gerätschaften der Baumaxe, Wollspezialisten für Gartenzipfelzwerge, alles kommt im Laufe des Tages zum Vorschein und alle tun sprachlich, was sie wollen.

Einige Zeilen könnten aus einem Bilderbuch heraus gefallen sein und haben sich unter der Regie des ironischen Sprachdirektors Christian Steinbacher zu einer neuen Community zusammengeschlossen. Denn obwohl die Texte so luftig, wattig und flockend sind, sind sie durch die Bank streng ausverhandelte Ergebnisse der Literaturgeschichte. Immer wieder wird auf Lichtungen in der Literaturgeschichte verwiesen, Unterzeilen verweisen auf poetische Verfahrensweisen, viele Gedichte sind einer Autorin oder einem Literaturfachmann gewidmet.

Ein paar Mal sind die Texte so lange zu einem Akrostichon aufgefädelt, bis man sich angewöhnt hat, bei jedem Text die Anfangsbuchstaben der Zeilen nach Sinn zu durchsuchen. Aber so sehr man auch zwirbelt, was das Lesezeug hält, wenn die Zeit des Akrostichons vorbei ist, ist es vorbei, dafür gibt es dann ein Langgedicht.

Christian Steinbacher hat mit diesem Gedichtband so etwas wie einen Streifzug durch die Sackgassen und Irrwege der Lyrik aufgezwirbelt, nur dass bei ihm die Gedichte nie eine Sackgasse sind. Kaum ist ein Text wirklich verzopft und verstopft, tut sich ein Deus ex Lyrica auf und führt Leser, Text und Autor lachend ins Freie.

Christian Steinbacher, Zwirbeln, was es hält. Gedichte.
Innsbruck: Haymon 2006. 123 Seiten. EUR 15,90. ISBN 978-3-85218-516-3

 

Weiterführende Links:
Haymon-Verlag: Christian Steinbacher, Zwirbeln, was es hält
Wikipedia: Christian Steinbacher

 

Helmuth Schönauer, 07-11-2006

Bibliographie

AutorIn

Christian Steinbacher

Buchtitel

Zwirbeln, was es hält

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2006

Verlag

Haymon

Seitenzahl

123

Preis in EUR

15,90

ISBN

978-3-85218-516-3

Kurzbiographie AutorIn

Christian Steinbacher, geb. 1960 in Ried im Innkreis, lebt in Linz.

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