Iain Galbraith (Hrsg.), Intime Weiten

Buch-CoverObwohl Schottland ein weltbekanntes Land ist, und sei es nur wegen der kriminell guten Nebelbänke und des perfekten Whiskys, kennt fast niemand schottische Literatur. Und schon gar nicht schottische Gedichte.

Der folio-Verlag, der mit seiner Serie ‚Transfer’ entlegene Literaturen und vom literarischen Alltag abgeschottete Autoren pflegt, widmet sich mit südtirolerischem Augenzwinkern der schottischen Lyrik, immerhin setzt sich auch die schottische Literatur ähnlich der südtirolerischen aus drei Komponenten zusammen: Englisch – Gälisch –Schottisch.

In einem dichten Vorspann erklärt Ian Galbraith die wichtigsten Verkehrslinien zur Schottischen Literatur. Selbst mit den schnellsten Internetsuchmaschinen ist es nämlich gar nicht so leicht, halbwegs angemessen einen Zugang zu diesen kaum übersetzbaren Texten zu finden.

In seinem Überblicksessay schält Ken Cockburn sodann die wichtigsten Elemente der jüngeren schottischen Lyrik heraus, so beziehen sich fast alle Autoren direkt oder indirekt auf Hugh MacDiarmid (1992-1978). Schottischer Staat und schottisches Parlament, Nähe und Entfernung zu London, Provinz und Selbstbewusstsein sind politisch vorgegebene Rahmenbedingungen, welche in den Texten unausgesprochen ihren Niederschlag finden.

In den Gedichten geht es um das Verklingen eines Imperiums an entlegenen Küsten, um eine fiktive Gedächtnisansprache an die Opfer einer Schiffskatastrophe im eigenen Hafen, um nicht ganz sauber gestochene Landschaftsstiche, aber auch um Schottland als Halbleiterland mit hochgeladenen Chips der Empfindsamkeit.

Als Leser hält man sich fast immer an die deutsche Übersetzung auf der rechten Seite, nur ab und zu schielt man auf das linksseitige Original, in dem es oft ganz anders zugeht, als man es im Englischunterreicht gelernt hat.

Heidi Prüger übersetzt deshalb das Gedicht „Right Inuff“ von Tom Leonhard im Wiener Dialekt „eh scho wissen“.

Raoul Schrott überträgt Don Patersons Lyrikpartie „Nil Nil“ mit „0 : 0“, aus dem genialen Verteidiger McGrandle wird dabei Bruno Pezzey.

Es ist die Art wie Schottland nach Süden schaut, / wie wir Häuser von Freunden betreten, / lassen womit wir kamen, per Knopfdruck / den Teekessel starten und warten. Hier möchte ich leben … (105)

So herzergreifend gewinnend übersetzt Peter Waterhouse das Gedicht „Orkney / This Life“ von Andrew Greig.

„Intime Weiten“ sind genau dieses Buch, das Sehnsucht weckt und stillt, Entlegenes aufwühlt und anspült, genau einen Abend lang, der dadurch unvergessen wird.

Iain Galbraith (Hg.), Intime Weiten. XXV schottische Gedichte.
Mit einer Einführung von Ken Cockburn. Mit Übersetzungen von Franz Josef Czernin, Michael Donhauser, Evelyn Schlag, Raoul Schrott, Peter Waterhouse u.a.
Bozen, Wien: folio 2006, 126 Seiten, EUR 18,00, ISBN 978-3-85256-346-6

 

Weiterführende Links:
Folio-Verlag: Ian Galbraith (Hg.), Intime Weiten

 

Helmuth Schönauer, 11-01-2007

Bibliographie

AutorIn

John Burnside / Carol Ann Duffy / Douglas Dunn u.a.

Buchtitel

Intime Weiten. XXV schottische Gedichte

Erscheinungsort

Bozen

Erscheinungsjahr

2006

Verlag

folio

Herausgeber

Ian Galbraith

Seitenzahl

126

Preis in EUR

18,00

ISBN

978-3-85256-346-6

Kurzbiographie AutorIn

Ian Galbraith (Hg.), geb. 1956 in Glasgow, studierte vergleichende Literaturwissenschaften in Cambridge, Freiburg und Mainz, ist Autor und Übersetzer.

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