Harald Gsaller, Schakolatta / Winterschlaf

Buch-CoverEin echter Doppelroman ist naturgemäß heftig aneinender gekoppelt wie eine Doppelgarnitur im Eisenbahnwesen, fahren doch beide Teile mit dem Leser die gleiche Strecke ab.

Schakolatta ist ein wonniglich verballhorntes Schokoladewort, das nach Belohnung und Glück klingt, und den Winterschlaf wünschen sich alle Berufsgruppen als Inbegriff von Wellness. Nach etwas Schokolade gibt es den lang ersehnten Winterschlaf, könnte man die beiden Romane zusammenfassen.

Bei Harald Gsaller entsteht das Glück naturgemäß durch das Zusammenspiel aller Sinne. So ist der erste Roman eine Lebensbeschreibung Antons im Fluge der Zeit. Wie in einem Fotoalbum rascheln die Bilder und Eintragungen dahin. Wer beim Aufzählen der fünf Sinne seine fünf Finger zur Hand nimmt, kann damit in die elementarste Zahlenlehre eines gelungenen Lebens eintauchen.

Wir waren fünf Geschwister. Wem das nicht genügt: Eins zwei drei war unsere Hausnummer. Hundertdreiundzwanzig. An der Bundesstraße 123. Zählen lernten wir leicht in diesem Umfeld, und unsre Finger gebrauchen. (15)

Manchmal besteht das Album aus einem leeren Rahmen, in den sich der Leser seine persönliche Vorstellung hinein projizieren kann. Kurze Sprichwörter und ein Verschnitt aus allen Buchstabenvorlagen bringen jeweils Schwung in die Geschichte, sobald diese sich zur puren Schokolade zu versteifen droht. Im Roman wird durch kräftiges Umrühren die Story cremig gehalten. Hiefür sind besonders italienische Lebensweisheiten über das Essen geeignet. „Bei Tisch bleibt man jung!“

Anton Glück huldigt schließlich dem Kakaokult in Vollendung. Experimente, Lebenserfahrung, Lexikoneinträge und historische Zitate liefern einen Lebensentwurf voller Erotik und Exotik, der sich schließlich selbst durch den Kakao zieht.

Beinahe Ansatzlos ist dann der zweite Roman da, Winterschlaf. Hier geht es um die Reife des Lebens, der Protagonist hat schon alles durchgemacht und begibt sich in seinen Schrank für den Winterschlaf.

Ein Barthaar findet keinen Ausgang aus dem Mann, / das Anhalten des Atems gilt als Staunegeste. / Und im Herbst, was werden da die Langmütigen tun? - Obst auffangen, wenn es fällt.

Die Beobachtungen werden reduziert auf kurze Erlebnisbündel, beispielsweise gibt es eine kurze Anleitung, was das Erleben der Farbe grün im Spätherbst bedeuten könnte, Fernseher ausschalten.

Die Geschichten stellen das Wachstum ein, kaum das sie begonnen sind. Der Anfang ist die Hälfte des Ganzen, heißt es hintersinnig. Immer wieder verblassen Bilder während der Betrachtung, Fotos vergilben vor dem Auge des Lesers, manchmal ist ein Detail so dominant, dass vom Foto nichts mehr zu sehen ist.

Harald Gsaller hat einen verrückt guten Doppelroman über die wichtigsten Elemente des Lebens geschrieben: Glücklich sein und Ruhe halten. Schakolatta / Winterschlaf.

Harald Gsaller, Schakolatta / Winterschlaf. Doppelroman.
Wien: Comet Books 2006. 146 Seiten. 90 Abb. EUR 22,-. ISBN 3-9502046-5-2.
[Vertrieb über „Fotohof“ Salzburg]

 

Helmuth Schönauer, 15-03-2007

Bibliographie

AutorIn

Harald Gsaller

Buchtitel

Schakolatta / Winterschlaf

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2006

Verlag

Comet Books

Seitenzahl

146

Preis in EUR

22,00

ISBN

3-9502046-5-2

Kurzbiographie AutorIn

Harald Gsaller, geb. 1960 in Lienz, lebt in Wien.

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