Karikaturenmuseum Krems (Hrsg.), Der Ball 08
Ob ein Gesicht eine Bedeutung hat, merkt man an seiner Fähigkeit, zur Karikatur zu werden. Wer nie gezeichnet wird und dadurch gezeichnet ist, rutsch vor Mittelmaß und Unauffälligkeit durch die öffentliche Wahrnehmung.
Wenn nun etwas Markantes wie ein Ball auf eine spitze Feder trifft, so zeigt das erstens, dass der Ball etwas mindestens so Interessantes wie ein Gesicht ist, und zweitens, dass jeder Ball eine Persönlichkeit ist.
Im Karikaturenmuseum in Krems sind anlässlich der Europameisterschaft 08 die größten "Ball-Künstler" Österreichs und der Schweiz ausgestellt. In einem Vorwort erinnert Kurt Palm an legendäre Spiele zwischen den beiden Ländern, wobei vor allem die Hitzeschlacht von Lausanne 1954 unvergesslich ist, spielten doch beide Mannschaften bei sengender Hitze so lange, bis sie nicht einmal mehr den Spielstand wussten.
Und dann legen die Zeichner los.
Pepsch Gottschieber schickt seine Bälle alle in einen Baum, was stark an ein Unterliga-Spiel in der Provinz erinnert, wo ja auch die Bälle mehr in der Botanik als auf dem Rasen durch die Gegend gedroschen werden.
Bei Ernst Feurer sitzen Entminungsexperten mit Vollvisierhelmm um den heiligen Ball, und versuchen das Ding irgendwie zu entschärfen.
René Fehr hat einen sogenannten Penalty nicht unter Kontrolle, der Schuss geht stark nach vorne los und durschlägt die Scheibe des Fernseher, was beim Snack-fressenden Betrachter pures Entsetzen auslöst, zumal sich der Penalty mitten in seinem Gesicht entlädt.
Gerhard Haderer hat nach Vorlage der Sixtinischen Kapelle die Erschaffung der Welt durch den Fußball aufgedröselt. Die wichtigsten Figuren der Weltgeschichte dribbeln, tricksen und umspielen sich selbst in feinster Weise.
Bei Oskar Weiss befürchten die Besucher im Stadion das totale Karriereende, als ein Ball auf der Bahre mit ausweichender Luft hinausgetragen wird. Für den Ball dürfte die Sache vorbei sein, dabei ist der Ball die wichtigste Person am Spielfeld.
Peter Kufner schließlich erklärt die Jenseitsregel aufwändig einfach wie einen Gottesbeweis.
Die Jenseitsregel ist, wenn du den Ball abgibst an einen von Deinen, der schon vorausgegangen ist, aber der Erste der Anderen nicht der Letzte ist. (72)
Dass Fußball, besonders der österreichische, manchmal auch etwas Steriles, Altväterisches und Archivales in sich hat, beweist Gustav Peichl mit seinem zittrigen Seniorenstil.
Insgesamt geistern 42 Karikaturisten und Karikaturistinnen aus Österreich und der Schweiz durch die Fußballszenerie und beglücken das Publikum mit über hundert Karikaturen und Cartoons. Und wie immer bei einer guten Karikatur ist das Gezeichnete echter als die Wirklichkeit.
Karikaturenmuseum Krems (Hg.), Der Ball 08. Karikaturen zur Europameisterschaft.
St. Pölten: Residenz Verlag 2008. 103 Seiten. EUR 14,90. ISBN 978-3-7017-3088-9.
Weiterführende Links:
Residenz-Verlag: Karikaturmuseum Krems, Der Ball 08
Homepage: karikaturenmuseum Krems