Martin Kolozs, Ich glaube nicht an die große Liebe

Buch-CoverMan sieht sie plastisch vor sich, diese abwinkende Handbewegung, die hinter dieser Bemerkung steckt: Ich glaube nicht an die große Liebe. - Ein gelassener, erkenntnisreicher und auch Lebensprogrammatischer Satz!

Und auch die Unterbezeichnung "Neue Liebesgedichte und andere" lässt erahnen, dass diese Gedichte manchmal nur vorgeblich mit der Liebe zu tun haben, oft aber ganz etwas anderes im Sinn haben, nämlich das Alltägliche, das Durchhalten der Gefühle, den Wahnsinn einer erotisch entglittenen Bewegung.

Schon im ersten Gedicht wird klargestellt, was wirklich Sache ist in der sogenannten Liebe.

Ich kann dich nicht küssen / wenn du aus dem Mund / nach Zwiebeln riechst // Nicht mit dir zusammen liegen / wenn du schwitzt // Die Liebe ist ein reines Gefühl (11)

Hier ist elegant ausgeführt, wie unter dem heroischen Begriff der Liebe das Leben nach eigenartigen Spielregeln abläuft, eine simple Zwiebel zerstört die Erotik, Schweiß lässt den Sex zusammensinken auf ein fernes Gefühl.

Im ersten Teil dieser Gedichtsammlung geht es überhaupt sehr kaltschnäuzig und trocken zu:

Ich habe es bemerkt / als ich mit dem Hund unten war: // Ich liebe dich nicht mehr (13)

Ohne dich will ich nicht mehr sein // Aber an die Zeit ohne dich / kann ich mich gut erinnern(14)

Im Stile von Sprüchen, die man früher vielleicht als gesticktes Tuch an die Wand gehängt hätte, läuft hier das Wechselspiel zwischen Notwendigkeit und Luxus einer Beziehung ab.

Einmal warm geworden mit der Unverfrorenheit dieser Lyrik, glaubt man als Leser auch heftigen Gedichten nicht alles auf den ersten Blick, wenn sie mit einem orgiastischen Ton etwas Besingen, was durch die Sprüche soeben vollkommen entlarvt worden ist.

Du / bist mein Ziel // Dir / meine Richtung // Dich / mein Gefühl / das mich treibt (20)

Solcherart in die Hymne getrieben, verschlägt es dem lyrischen Ich jegliche Grammatik, es ist nicht nur trunken sondern ordentlich angetrunken.

In diesem Wechselspiel aus Euphorie und Blasphemie wird das lyrische Du seiner Vollendung zugeführt und durch Herabwürdigung im Alltag entsorgt.

Martin Kolozs Gedichte sind frech und gerade, er zaubert aus dem Jahrhundertealten Singsang der Liebe irdisch-lyrische Töne, die für Beziehungen der Gegenwart geeignet sind. Der Minnesänger des Augenblicks nämlich flirrt heutzutage im Stile einer SMS durch den Antennenwald der Liebeslyrik.

Martin Kolozs, Ich glaube nicht an die große Liebe. Neue Liebesgeschichten und andere.
Zirl: Edition BAES 2008. 52 Seiten. EUR 7,-. ISBN 978-3-9500933-7-7.

 

Weiterführende Links:
Edition BAES: Ich glaube nicht an die große Liebe
Wikipedia: Martin Kolozs

 

Helmuth Schönauer, 01-07-2008

Bibliographie

AutorIn

Martin Kolozs

Buchtitel

Ich glaube nicht an die große Liebe. Neue Liebesgeschichten und andere

Erscheinungsort

Zirl

Erscheinungsjahr

2008

Verlag

Edition BAES

Seitenzahl

52

Preis in EUR

7,00

ISBN

978-3-9500933-7-7

Kurzbiographie AutorIn

Martin Kolozs, geb. 1978 in Graz, lebt in Innsbruck.

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