Magnus Mills, Die Entdecker des Jahrhunderts

Buch-CoverGibt es bei Expeditionen einen funktionierenden Arbeitnehmerschutz? Und wie schaut es mit dem Tierschutz aus? Sollen sich Tragtiere gewerkschaftlich organisieren, wenn sie in eine unzumutbare Gegend geschickt werden?

In Magnus Mills Roman sind die Entdecker des Jahrhunderts gleich doppeldeutig angelegt, einmal gelten sie als die Sensation des Jahrhunderts, und andererseits entdecken sie nichts anderes, als dass es ein gegenwärtiges Jahrhundert gibt.

In einer namenlosen Gegend, landen zwei Expeditionstrupps an einer namenlosen Küste, der eine Trupp ist schon unterwegs ins Landesinnere, während der andere noch ungeschickt die Vorbereitungen zum Abmarsch trifft. Die Expeditionshelden sind seltsam unaufgeregt, irgendwie machen sie den Eindruck einer Pfadfindergruppe vom Typus Leiharbeiter, die ein Wochenende im Gelände verbringen möchte.

Noch beim Ausladen geht ein wertvolles Muli verloren, es muss erschossen werden, für die Beteiligten ist das ein Missgeschick wie es eben so passieren kann. Die Hauptsorge gilt ohnehin der Schlafordnung, wer schläft in welchem Zelt mit wem, darüber wird stundenlang diskutiert.

In der Folge wechselt die Darstellung von einer Gruppe zur nächsten, die Vorauseilenden möchten den Verfolgern nur die nötigsten Spuren hinterlassen und auf jeden Fall erste werden, die Nachfolgenden analysieren die Spuren und beurteilen sie nach Gesichtspunkten des Arbeitnehmerschutzes und der dienstlichen Geheimhaltung. Ziel für beide Unternehmungen ist das Ende der Welt oder zumindest der äußerst erreichbare Punkt.

Schon von Anfang an ist klar, dass es mit den Maultieren etwas Besonderes auf sich hat, irgendwie sind sie überbesetzt, sie fressen beinahe die gesamten Vorräte auf und treten immer in paarungsbereiten Rudeln auf. So ist es kein Wunder, dass sie mit Fortdauer der Expedition zu sprechen beginnen, oder ist es nur die generelle Halluzination, die sich über die teilnehmenden Menschen und Tiere legt? Jedenfalls wollen die Maultiere ordentliche Arbeitsbedingungen, eines will sogar getragen werden, und überhaupt wollen die Tiere über den Sinn der Expedition aufgeklärt werden.

Der Sinn der Expedition ist auf dieser Welt vermutlich nicht zu finden. Der eine Trupp verirrt sich, der andere stellt mit Entsetzen fest, dass der Rückweg viel beschwerlicher und wohl auch sinnloser ist als der Hinweg. Das Ziel ist unbewohnbar, nicht einmal die Maultiere kann man dort aussetzen. So schreibt der Expeditionsleiter einen vielsagenden Zettel, den er an die aufgepflanzte Fahnenstange am Ende der Welt fixiert.

Wie Sie sehen, sind wir angekommen und haben wenig Interessantes vorgefunden. Waren zwei Tage hier. Jetzt wünschen wir Ihnen eine gute Heimreise. (190)

Magnus Mills Expeditions-Roman ist ein grotesker Maultierritt durch eine amorphe Abenteuerwelt des höheren Sinns. In diesem Roman ist aufgezeichnet, was üblicherweise bei Expeditionen nicht besprochen wird, nämlich der triviale Alltag einer leicht beschissenen Mission an den Endpunkt der Welt. - Wunderbar ehrlich und voller sinnlosem Charme!

Magnus Mills, Die Entdecker des Jahrhunderts. Roman. A. d. Engl. von Katharina Böhmer. [Orig.: Explorers oft the New Century; London 2005].
Frankfurt/M: Suhrkamp 2008. 195 Seiten. EUR 19,80. ISBN 978-3-518-42017-1.

 

Weiterführende Links:
Wikipedia: Magnus Mills

 

Helmuth Schönauer, 14-10-2008

Bibliographie

AutorIn

Magnus Mills

Buchtitel

Die Entdecker des Jahrhunderts

Originaltitel

Explorers oft the New Century

Erscheinungsort

Frankfurt a. M.

Erscheinungsjahr

2008

Verlag

Suhrkamp

Übersetzung

Katharina Böhmer

Seitenzahl

195

Preis in EUR

19,80

ISBN

978-3-518-42017-1

Kurzbiographie AutorIn

Magnus Mills, geb. 1954, lebt in London.

Themenbereiche