Peter Oberdörfer, Mauss

Buch-Cover

Davon träumen wir ja alle, dass ein Theaterstück durch seine Aufführung eine ganze Stadt verändert. In Peter Oberdörfers Roman inszeniert der Regisseur Mauss ein Stück über den Marquis de Sade.

Die Temperatur der Wahrheit nennt sich dieses Stück im Stück, in welchem die Temperatur immer heftiger nach oben steigt.

Die Theatertruppe hat gerade erst mit den Proben begonnen, da setzt in der Stadt eine unheimliche Mordserie ein. In allen Posen, quer durch alle Altersschichten, an allen Plätzen schlägt der Serientäter zu. Als gewöhnlicher Einwohner liest man wie jeden Tag scheinbar gewöhnliche Artikel in der lokalen Zeitung, nur dass diese Beiträge mittlerweile alle mit einem Mord enden. Große Ratlosigkeit setzt ein, jeder misstraut jedem, Mord und Gewalt können jeden Augenblick neu aufflackern.

Für Mauss verschmelzen allmählich die Theaterwelt und die Außenwelt zu einem siedenden Gebilde, das sich über die Ideen von Marquis de Sade legt.

In einer Provinzstadt dauert es naturgemäß nicht lange, bis sich die Einheimischen gegen alles Außenstehende und Unbekannte abkapseln. In diesem Falle taucht eine christlich fundamentalistische Gruppe auf, um das Theaterstück abzusetzen und so vielleicht die Mordserie zu stoppen. Je rigider solche Forderungen sind, umso schneller steht auch die Politik Gewehr bei Fuß, um etwas zu verbieten oder sonst wie wegzuwischen.

So sehr sich Mauss auch bemüht, die Theorie der Gewalt und die Kunst des Theaters in intellektuellen Sätzen darzustellen, so wenig werden seine Darstellungen verstanden. Letztlich schwappt die allgemeine Stimmung in Hysterie über.

Von dieser allgemeinen Erregung werden auch die Theaterleute angesteckt, über Nacht scheinen alle aus dem Häuschen zu sein, das Private wird zu einer öffentlichen Manifestation und die öffentlichen Geschehnisse vergiften die privaten Intimitäten. Terror ist angesagt.

Auch in unmittelbarer Nähe des Theaters waren die Spuren von Kämpfen nicht zu übersehen. Ausgebrannte Autos, eingeschlagene Scheiben waren mit Karton verklebt, auch auf dem Platz vor dem Theater türmten sich die Trümmer. Das Tor des Theaters war fort, der Eingang eine leere Öffnung, jeder konnte rein. Keine Wache, nicht einmal ein Absperrband. Es roch verbrannt. (168)

Peter Oberdorfes Roman geht an die Grenzen der Illusion des Theaters. Was passiert, wenn das Theater zur Wirklichkeit wird? Kann man ungeheure Phänomene durch das geordnete Spiel zähmen und zur Vorstellung bringen? Gibt es in der kleinstrukturierten Welt einer überschaubaren Stadt die Chance, dass sich darin der Weltgeist mit großen Gedanken ausbreiten kann?

Mauss ist ein Roman, der durchaus von der Realität immer wieder eingeholt wird, man denke nur an die sogenannten Frosch-Orgien im Museum in Bozen, welche im Sommer 2008 die ganze Stadt zum Überkochen gebracht haben.

Peter Oberdörfer, Mauss. Roman.
Bozen: Edition Raetia 2008. 170 Seiten. EUR 10,-. ISBN 978-88-7083-304-9.

 

Weiterführende Links:
Edition-Raetia: Peter Oberdörfer, Mauss

 

Helmuth Schönauer, 29-10-2008

Bibliographie

AutorIn

Peter Oberdörfer

Buchtitel

Mauss

Erscheinungsort

Bozen

Erscheinungsjahr

2008

Verlag

Edition Raetia

Seitenzahl

170

Preis in EUR

10,00

ISBN

978-88-7083-304-9

Kurzbiographie AutorIn

Peter Oberdörfer, geb. 1961 in Schlanders, lebt in Meran.

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