Otto Licha, Geiger

Buch-CoverGeiger - was für eine präzise Beschreibung für ein Lebensgefühl. "Geiger kann niemand ohne musikalische Berührung werden." (307)

Otto Licha erzählt von Vater David und Sohn Simon Lehar, die sich jeweils auf ihre Art durchs Leben geigen. David lebt in Innsbruck ein relativ unscheinbares Leben, seine musikalischen Fähigkeiten sind hervorragend, aber zum kompletten Genie reicht es nach Auskunft seiner Mit-Musikanten nicht. Aber seine Geige gilt als genial.

Im Sog der Nazis, die sich als "Vollender" aufspielen, muss David flüchten, schlägt sich als Musiker durch und kommt nach dem Krieg wieder nach Innsbruck.

Obwohl die Nazis scheinbar entmachtet sind, sitzen sie als gute Bürger verkleidet immer noch in der Stadt und managen die von ihnen enteigneten Firmen. David muss sich in demütigender Weise hinten anstellen, um am gesellschaftlichen Provinzleben teilhaben zu können.

Sein Sohn Simon soll es besser haben, er bekommt nicht nur die besten Musiklehrer sondern auch die beste Lebenskultur eingeimpft: er sei ein Geiger, nicht von dieser Welt. Als Genie wider Willen ist es für Simon nicht leicht, ein eigenständiges Leben zu führen, schwer hängt die Musik über seiner Seele, Musik kann auch belastend sein, wenn sie einem als falsches Erbe aufs Auge gedrückt wird.

Das erste Kapitel heißt schlicht Vergangenheit, darin wird erzählt, wie die Zeitgeschichte Menschen mit feiner Seele übel mitspielen kann. Der zweite Teil ist logisch knapp mit Zukunft überschrieben, darin sucht der Sohn die Vergangenheit zu enträtseln und versucht mit sich selbst etwas Authentisches anzufangen.

Freilich enden die Geiger-Karrieren sowohl beim Vater als auch beim Sohn oft mit psychischen Zusammenbrüchen, gerade die musischen und musikalischen Seelen sind am verletzlichsten.

Allmählich setzt in der Stadt eine eigene Musikkultur ein, moderne Kompositionen und Aufnahmetechniken setzen sich durch, Simon wird "reaktiviert" und spielt allein auf verschiedenen Tonspuren eine Radiosymphonie ein. Wie hängen Vergangenheit und Zukunft in der Musik zusammen? Kann man aus der Musik aussteigen, wenn man musikalisch begabt ist?

Otto Licha erzählt an der Oberfläche von berührenden Musiker-Biographien, worin sich das zwanzigste Jahrhundert in der Provinzstadt Innsbruck spiegelt. Manche Fragestellungen sind wegen ihrer Klarheit kaum zu beantworten. Beispielsweise wie wird man Musiker, wie wird man politisch aktiv? Warum wird jemand Geiger, warum ein anderer Nazi? Sind es vielleicht unerklärbare Konstellationen, die uns in unsere jeweilige Biographie hineinzwingen?

In die Geschichte der beiden Geiger ist eine komplette Kulturgeschichte der Musikrezeption eingeflochten, Aufführungskunst, Virtuosität, Didaktik - im Klangkörper einer Geige spielt sich oft die Geschichte eines Jahrhunderts ab.

Einen Traum zu deuten ist nicht wichtig. Nur ihn zu erzählen. (257)

Otto Licha: Geiger. Roman.
Hohenems: Limbus 2008. 312 Seiten. EUR 19,80. ISBN 978-3-902534-19-4.

 

Weiterführende Links:
Limbus-Verlag: Otto Licha: Geiger
Wikipedia: Otto Licha

 

Helmuth Schönauer, 30-10-2008

Bibliographie

AutorIn

Otto Licha

Buchtitel

Geiger

Erscheinungsort

Hohenems

Erscheinungsjahr

2008

Verlag

Limbus

Seitenzahl

312

Preis in EUR

19,80

ISBN

978-3-902534-19-4

Kurzbiographie AutorIn

Otto Licha, geb. 1952 in Wien, lebt in Innsbruck.