Xóchil A. Schütz, Was ich nie mehr sagen will zu Mickey Rourke

Buch-CoverFilmfiguren müssen immer das aussprechen, was im Drehbuch steht, während wir als Publikum alles sagen dürfen, was uns am Herzen liegt.

Was also will die Erzählerin dieser wundersamen Geschichte jenem Helden Mickey Rourke sagen, der für sein hartes Anfassen und seinen Wrestler-Ausdruck weltweit bekannt ist? - Nein, kein Sex jetzt! (43)

Xóchil Schütz ist eine Meisterin verblüffender Wendungen und raffinierter Mini-Plots. Ihre kurzen Erzähl-Spots spielen im tiefsten Alltag, aber durch eine blöde Fragestellung oder eine irrwitzige Behauptung, tut sich jäh der Rachen einer witzigen Bedrohung auf. So fad kann ein Alltag gar nicht sein, dass man daraus nicht mit einem Biss verscheucht werden könnte.

Immer wieder sind es Bahnfahrten, die die Erzählerin hinlegen muss. Versunken zwischen Jause und fahler Lektüre ergeben sich ständig Überraschungen. So schreit ein Gameboy spielender Junge so lange Rache, bis die Erzählerin ihrerseits in die Rache flüchtet und sich eine Geschichte ausdenkt, worin ein Hirsch erlegt und mit Himbeeren serviert wird. Mit solchen Gedankenkurven lassen sich lange Bahnfahrten halbwegs über die Strecke bringen.

In einer anderen Geschichte beschließt die Erzählerin, einfach einmal das Geschlecht zu wechseln und die Umwege über das Gender-Geplapper abzukürzen.

Aber auch so schlimme Nachrichten wie jene über den bevorstehenden Klima-Kollaps können durchaus positive Gedanken auslösen. Wäre es nicht schön, wenn es keinen Schnee mehr gäbe, wenn die Wahnsinnstouristen eingebremst wären, wenn die Bären wieder auf die Almen zurückkämen und man in der Sonne dösen könnte ohne dieses blöde Gestöber?

Oft genügt ein einziger Satz, damit man sich am eigenen Zopf aus dem Sumpf ziehen kann. Ich habe permanent schlechte Laune, mit so einer Zauberformel kann man erstens ununterbrochen schlechte Laune haben und zweitens diese Laune jederzeit beenden. Mantra-mäßig vorgebetet kann übrigens jeder beliebige Satz zu einer Erlösung werden.

Im Flugzeug schließlich versucht die Erzählerin, ein echtes Luder zu sein. Aber durch eine kleine Sprachverkrümmung wird nichts daraus und es bleibt ein Looser übrig.

Ja, es ist erniedrigend. Aber wer Passion hat, muss sich eben auch auf den Passionsweg machen. (36)

Xóchil Schütz, regierende Slam-Poetry-Europameisterin, schafft es jeweils aus der Hüfte, quasi aus dem Nichts zerfranste Begebenheiten auf die sprachliche Bühne zu stellen. Oft ist es gerade eine künstlich alltägliche Situation, die die Kultfiguren dazu animiert, sich dem Alltag zu stellen. Diese Verknüpfung der Kunstsituation mit der Kunstfigur bringt wundersame Sätze hervor, mit denen sich bei etwas Geduld durchaus die eine oder andere Religion gründen ließe. Aber für die entsprechende Relativierung ist in jeder Geschichte gesorgt.

Also ich finde, ich brauchs doch mal nicht zu übertreiben mit dem Leben in meiner Wohnung. (50)

Xóchil A. Schütz, Was ich nie mehr sagen will zu Mickey Rourke. Stories.
Innsbruck: Kyrene 2008. 52 Seiten. EUR 7.-. ISBN 978-3-90009-37-3.

 

Weiterführende Links:
Kyrene-Verlag: Bücher
Homepage: Xóchil A. Schütz

 

Helmuth Schönauer, 21-01-2009

Bibliographie

AutorIn

Xóchil A. Schütz

Buchtitel

Was ich nie mehr sagen will zu Mickey Rourke

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2008

Verlag

Kyrene

Seitenzahl

52

Preis in EUR

7,00

ISBN

978-3-90009-37-3

Kurzbiographie AutorIn

Xóchil A. Schütz, geb. 1975 in Hamburg, lebt in Berlin.

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