Franz Dodel, Nicht bei Trost

Buch-CoverIn einer Bücherwelt voller trostspendender Allerweltsbroschüren ist ein Buch geradezu sensationell, das von vorne herein davon ausgeht, dass etwas oder jemand nicht bei Trost ist.

Franz Dodel greift für sein gigantisches Werk auf die kleinste Sinneinheit zurück, die es in der Literatur gibt, er reiht unverdrossen Fünf- und Siebensilbler aneinander und das über Jahrzehnte.

So umfasst die aktuelle Ausgabe des Projektes Haiku endlos die Verse 6000 - 12000. Als Leser wird man von diesem Giga-Text magisch angezogen und bald verwickeln sich die Sinne in den Mahlsteinen der Verse. Eins geht ins andere über, kaum hat man zu einer Zeile genickt, erscheint auch die nächste völlig logisch, obwohl es scheinbar keine Andockstelle zwischen den einzelnen Elementen gibt. Dieses phantastische Werk ist nämlich ein Puzzle, bei dem die einzelnen Teile nicht ineinander nasen oder greifen, sondern die Botschaften leuchten eher wie Pixels auf einem lyrischen Screen auf.

Der Textteppich Franz Dodels ist dabei jeweils auf der rechten Seite ausgelegt, die linke Seite ist Anmerkungen, Leseerfahrungen, Notizen und Thesen vorbehalten. Wenn man unbedingt so etwas wie einen Inhalt beschreiben muss, tut man sich auf der Anmerkungsseite etwas leichter, wie wohl auch hier das Prinzip der Assoziation höchste Priorität hat.

Antike Lektüre, Philosophen und Künstler aus vergangenen Jahrhunderten, mystische Einschübe und Lebensregeln vergangener Tage stehen hier völlig logisch untereinander und unterfüttern die jeweilige Zeile aus der Haiku-Welt

und die Heuschrecken springen / irgendwohin mit / nicht nachlassender Freude / im dürren Gras wo / die Mittagshitze sich staut / zirpen die Grillen / nichts bewegt den löchrigen / Schatten der Birke / über den Mauerresten (283)

Man kann einsteigen, wo immer man will, das Konzept dieser Dichtung umarmt den Leser an jeder Stelle. Denn hinter den lyrischen Bildern und Botschaften steckt immer auch jene Dynamik, die das Lesen als selbstständige Erkenntnisform beschreibt. So lassen sich die Heuschrecken durchaus vergleichen mit Lesern, die in nicht nachlassender Freude irgendwohin springen in der Mittagshitze.

Nicht bei Trost fühlt sich nicht umsonst an wie ein sachtes Gebetsbuch, das nach einer gewissen Zeit der Kontemplation wie von Sinnen Trost spendet.

Franz Dodel schreibt seit 2002 an diesem unendlichen Lyrik-Werk, und ein Ende ist nicht abzusehen. Ein Ende dieser Haikus wäre das Ende der Welt, könnte man etwas getragen formulieren. Und tatsächlich, einmal eingelesen in diese Art von Literatur, lässt sie sich nicht mehr abstellen, das unendliche Haiku wühlt im Leser weiter, auch wenn das Buch schon längst geschlossen ist.

Franz Dodel, Nicht bei Trost. Haiku, endlos.
Wien: Edition Korrespondenzen 2008. 612 Seiten. EUR 28,90. ISBN 978-3-902113-58-0.

 

Weiterführende Links:
Edition Korrespondenzen: Franz Dodel, Nicht bei Trost
Homepage: Franz Dodel

 

Helmuth Schönauer, 28-07-2009

Bibliographie

AutorIn

Franz Dodel

Buchtitel

Nicht bei Trost. Haiku, endlos

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2008

Verlag

Edition Korrespondenzen

Seitenzahl

612

Preis in EUR

28,90

ISBN

978-3-902113-58-0

Kurzbiographie AutorIn

Franz Dodel, geb. 1949 in Bern, lebt in Boll und Bern.

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