Dine Petrik, Wortreich verschwiegen

Buch-CoverDer Kopf der Lyrik, sagt man oft, ist der Titel, unter dem zahllose Gedichte zwischendurch gebündelt ins Licht der Lese-Realität treten.

Dine Petrik hat den Titel klug gewählt, denn einerseits bezeichnet das Wortpaar wortreich.verschwiegen das Wesen der Lyrik überhaupt, andererseits bezeichnet es sehr genau, was sich im Innern des Gedichtbandes so alles abspielt.

Kernsituationen wie Liebe, Reisen, Kindheit, Zeit lassen immer auch einen gewissen Wortüberschwang zu, der aber allzu bald an jene Grenze stößt, wo "Verschwiegenheitspflicht" herrscht.

Dine Petrik überschreibt die einzelnen Sequenzen mit GEGEN ÜBER; HINTER BLIEBEN; STÄDTE STÄTTEN, LANG ÜBER KURZ, CITY NÄHE. Manchmal erinnern diese Überschriften an eine verhörte Situation, worin jemand noch einmal nachfragt, aber bereits eine andere Antwort bekommt, aber auch eine frische Schreibweise kann plötzlich einen neuen Sinn ergeben, der Ausriss aus einem geseufzten Sprichwort oder das Aufbrechen eines kernigen Begriffes wie City, worauf hin nur noch eine vage Entfernungsangabe übrig bleibt.

Wortreich verschwiegen ist vielleicht die paradoxe Parade-Konstellation für Liebende, Angebetete und Verlassene, wobei die Sprache zwischen noch ungebrochen hervorquillt, aber der Sinn-Strahl bereits unterbrochen ist und die wichtigsten Sachen bereits verschwiegen bleiben.

So eine kleine Sequenz mit dem Mond zeigt diese Ambivalenz, einerseits zeigt er am Firmament bloß immer eine Seite, aber auch am Liebenden an der Seite bleibt immer bloß der eine Schatten eines Mondes haften.

mond geladen // treibst mich herum / spießt dich erdlich // durch die pupille / fühlst mich aus // verwirrst mir die / für morgen früh / gestimmten lieder // bist oft voll / und zeigst mir // doch nur eine seite / nacht für nacht // :hab ich dich satt (12)

Immer wieder kippen scheinbar eindeutige Bilder um und ergeben einen neuen Sinn, ob es sich um einen Hauch aus der fernen Kindheit handelt oder um eine scheinbar unsichtbare Handbewegung während einer Reise, plötzlich von einer Zeile zur nächsten erschließt sich im Gedicht nach vorne und hinten gleichermaßen ein neuer Sinn.

"ich will dich nicht / gedicht" (83) sperrt sich am Schluss das lyrische Ich gegen diesen permanenten Parforce-Ritt durch Bilder und Zeichen jenseits aller Gemütlichkeit des Eindeutigen.

wortreich.verschwiegen ist ein geduldiges Schleifen an der Zeit, ein permanentes Abtasten jener Grenze, an der zuerst nur noch geflüstert werden darf, ehe sich der Sinn im Verschwiegenen zeigt.

Dine Petrik, wortreich.verschwiegen. Gedichte. Mit Fotos von Gerald Zugmann.
St. Pölten: Niederösterreichische Literaturedition 2009. 87 Seiten. EUR 20,-. ISBN 978-3-902717-01-6.

 

Weiterführende Links:
Literaturedition-NOE: Dine Petrik, wortreich.verschwiegen
Wikipedia: Dine Petrik

 

Helmuth Schönauer, 20-10-2009

Bibliographie

AutorIn

Dine Petrik

Buchtitel

Wortreich verschwiegen

Erscheinungsort

Pölten

Erscheinungsjahr

2009

Verlag

Niederösterreichische Literaturedition

Illustration

Gerald Zugmann

Seitenzahl

87

Preis in EUR

20,00

ISBN

978-3-902717-01-6

Kurzbiographie AutorIn

Dine Petrik, geb. 1942 im Burgenland, lebt in Wien.

Themenbereiche