Bertram Haid, Aus dem Gleichgewicht
Kein Strich von einer sogenannten Zeichnung! - Aber dafür dafür Geschichten, die auf den Strich gehen.
Bertram Haid, von dem wir Liebhaber seiner Cartoons immer wissen wollen, was er sich wirklich denkt bei seinen aus dem Leim gegangenen Stories, zeigt in zehn Geschichten, was seine Helden denken, wenn sie nicht gerade gezeichnet sind. Und aus dem Leim gehen ist dieser Zustand, wo es zwar gut vermessen begonnen hat, aber irgendwo eine Unschärfe in die Helden gekommen ist.
Also schon die Titelgeschichte Aus dem Gleichgewicht zeigt einen Helden, der sich scheinbar alltäglich rasiert, aber bemerkt, dass er schon rasiert ist. Eine irreale Kraft steckt offensichtlich in seinem Face und etwas später erfahren wir, dass es seine Heldenpsyche ist, die ihn Handgriffe verrichten lässt, von denen er nichts weiß.
In dieser Phase war er dazu übergegangen, die Verantwortung für das Schreckliche, das passiert war, aus der Hand zu geben. (19)
Die Story dieser wirklich verrückt genauen Heldenstudie, soll hier nicht rezensiert werden, denn es ist die feine Art des Autors, dass er die Geschichten als subtil geformte Nudeln vorstellt, die sich jeder Leser persönlich fertig kochen muss.
Für Liebhaber eines sinnlich angerichteten Gerichtes ist es ein Genuss, in mehreren literarischen Genre-Gängen zu lesen, was da alles in den Textsorten selbst aus dem Gleichgewicht geraten kann.
Da gibt es dann so umgekugelte Szenen, wenn in einer erotischen Sequenz der Held diese tausendfach zu stellende Banalität abfragt: Und? Was war bei dir heute? - Vier Freier! (36)
Ein Briefverkehr zwischen angeturnten Männern gerät außer Kontrolle. Deine Schuppen sind so wunderschön! (53)
Ein transzendentes Gespräch über Gott bringt gar den intellektuellen Kollaps.
Im Geiste eines Yeti-Abenteurers kehrt ein Wanderer zurück und kann nicht erklären, was er auf einer alltäglichen Fortbewegung seines Körpers gesehen hat.
Am Schluss gewinnt immer die Dunkelheit. Das ist ein Naturgesetz. (169)
Die Geschichten entwickeln im Leser den Vorgang wie bei einem gelungenen Menü. Wo in der Gaumen-Ab-und-Einspeisung aber alles dem gelungenen Dessert entgegen strebt, gehen Bertram Haids Texte schnurstracks in die Vernichtung des Menüs. Aus dem Gleichgewicht handelt von seltenen Helden, die nur Gutes im Sinne haben, aber alle verlässlich ihren Feinschmecker-Löffel abgeben müssen.
Wunderbar grotesk, scharf und schroff erzählt, wie der Cartoonist eben zeichnet.
Bertram Haid, Aus dem Gleichgewicht. Geschichten.
Zirl: edition BAES 2009. 83 Seiten. EUR 120,-. ISBN 978-9502705-2-5.
Weiterführende Links:
BAES Cartoons