Joachim Gunter Hammer, Der firnschwarze Mond

Buch-CoverGute Gedichte sind durchaus rätselhaft und gleichen dadurch echten Kreuzworträtseln, die es streng nach logischen, emotionalen und formalen Kriterien aufzulösen gilt.

In der Lyrik gibt es mannigfach bewährte Modeln, die es mit sensitivem Material aus der Gegenwart auszukleiden gilt. Als straffste, kürzeste und vielleicht auch schwierigste Form gilt dabei das Haiku, worin 5-7- 5 Silben zum berüchtigten Haiku-Siebzehnsilber zusammengefasst werden.

Joachim Gunter Hammer baut nun seine Gedichte wie emotional voll geladene Gewittertürme aus Haiku-Blöcken auf. Dabei nützen die einzelnen Elemente die stabile Grundform des Haikus und lassen somit ungeahnt heftige poetische Schübe mit erstaunlicher Stabilität zu.

Das Paradoxon "firnschwarzer Mond" fordert geradezu die schrillsten Text-Kombinationen heraus. Da stapfen Dreizeiler aus Tunesien scheinbar im Kamelschritt durch das Gedicht, während sich in Wirklichkeit aufreizende Models und erfolgreiche Typen der geschäftlichen Erfolgsgesellschaft darin räkeln. (31) Unter dem mehrdeutigen Begriff Doppler werden zwei Dutzend Doppel-Gedichte untereinandergestellt, deren Inhalt jene Illumination ist, die oft auf den Doppler-Effekt zurückzuführen ist.

Nach Stufen der Euphorie oder des Glückes unter einem fernen Licht blinzeln immer wieder Liebesgedichte auf, bei denen man nie weiß, ob sie die Einsamkeit oder die Verlorenheit besingen.

Bei sinkendem Licht // Wenn wir uns küssen, / wird es nur schlimmer, sagt sie / zu den Einsamen. // Du fährst zur Arbeit, / am Straßenrand die Insel / Mohn um Mohn vorbei ...// Du mit den Wörtern / und der Sonne zu dritt, doch einsam auf Erden. // Der kleine Finger / der linken ist taub, wird doch / kein Schlaganfall sein? // Auf dunklem Heimweg / in Rufweite mit sich selbst // grußlos vorüber (68)

Viele Texte wenden sich der dunklen Seite des Tages zu und befassen sich mit den Auslassungen des Mondes, der Schwärze zwischen den Zeilen und im Gemüt oder nennen sich schlicht Zeitsilben.

Bald ist ein Jahr nur / mehr ein Achtzigstel deines / Sterbens, voll das Glas? (19)

Schäume brausen gegen Ende des Bandes als geschäumte Gedanken auf, ehe dann das kurze Lied vom Sterben des Dichters ertönt.

Zuletzt hält nichts fest. / Die Welt ist ein Strohhalm, der / ab bricht ins Unlicht. (93)

Joachim Gunter Hammers Gedichte sind straff gearbeitet und richten sich am Gerüst des Haikus auf, aber immer wieder braust der lyrische Wind durch die Zeilen und zwingt den Autor dazu, den herausgeschleuderten Stoff wieder hinter den Gurt zu klemmen wie ein flatterndes Hemd unter den Bauchgurt. Ordnung, Chaos, Licht und Verlöschen, das sind die Handgriffe, mit denen der Autor die abfließende Zeit zu bändigen versucht.

Joachim Gunter Hammer, Der firnschwarze Mond. Ein Nachtflug in 17-Silbern.
Wien: Verlagshaus Hernals 2010. 96 Seiten. EUR 19,90. ISBN 978-3-902744-03-6.

 

Helmuth Schönauer, 27-09-2010

Bibliographie

AutorIn

Joachim Gunter Hammer

Buchtitel

Der firnschwarze Mond. Ein Nachtflug in 17-Silbern

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2010

Verlag

Verlagshaus Hernals

Seitenzahl

96

Preis in EUR

19,90

ISBN

978-3-902744-03-6

Kurzbiographie AutorIn

Joachim Gunter Hammer, geb. 1950 in Graz, lebt Edelstauden.

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