Eva Hornung, Dog Boy

Buch-CoverIn jedem Menschen steckt ja auch ein ziemliches Stück Tier, und wenn die tierischen Umstände Überhand nehmen, bleiben vom Menschlichen oft nur noch Restbestände.

In Eva Hornungs Roman Dog Boy wird ein vierjähriger Junge geradezu gezwungen, ein Hund zu werden. Romochka wartet am Stadtrand von Moskau in einer bitterkalten Wohnung auf seinen Onkel, der aber nicht mehr kommt. So macht sich der Vierjährige auf den Weg an die Grenze der Stadt, und verschwindet bald einmal in einer Fläche aus Brachland, Wald und Müll.

Der Müllberg erhob sich dunkel und massig über einem Wald von Birken, Lärchen, Fichten, Kiefern, Eichen und Erlen, der sich von der anderen Bergseite bis zum Horizont erstreckte. [...] Am Rand des Berges endete das Ödland in einer Böschung mit Blick auf eine flache Mulde voller Schutt und Müll. (51)

In dieser desaströsen Gegend gerät er in ein Rudel von Hunden und wird von diesen als einer der ihren aufgenommen. Die wichtigste Parole lautet von nun an:

Kein Hund war ein Freund. Alle Menschen waren gefährlich. (55)

Nach einem Jahr im Untergrund ist Romochka ein echter Hund geworden. So übernimmt er die Erziehung eines weiteren Menschenbündels, als ein Säugling eines Tages vom Rudel adoptiert wird. Diesen neuen Typen nennen alle bloß Welpe. Die Hunde verständigen sich in einer perfekten Sprache, Geruchsinn, Tastsinn und geheulte Semantik ergeben eine vollendete Sprache.

Aus der Sicht von Hunden wirkt die Stadt Moskau wie ein seelenloses Monster. Die Hunde fahren unter Anleitung von Romochka mit der Metro, organisieren sich Mahlzeiten und andere Utensilien, die sie zum Hundeleben brauchen, und werden schließlich von der Miliz gejagt.

Im zweiten Teil des Romans befinden sich Welpe und Romochka in einer Forschungsanstalt, worin das Leben von Hunde-Menschen untersucht wird. Welpe verfällt zusehends und stirbt, der Dog Boy Romochka arbeitet mit den Menschen zusammen und dechiffriert den geheimen Zusammenhang von Menschen und Hunden.

Eva Hornungs Roman vom Leben am Rande der Stadt ist eine beeindruckende Studie zur Hinterseite der Urbanität. Einerseits geht es ums nackte Überleben jenseits aller Moral, andererseits um die hohe Kunst des sozialen Zusammenlebens am Abgrund der Gesellschaft. An der Peripherie des Sozialsystems sind die Grenzen zwischen dem Animalischen und dem Menschlichen fließend. So ist der Dog Boy ein Held, der mit tierischen Mitteln am Außenrand von Moskau um sein menschliches Überleben kämpft. - Eine aufwühlende Abenteuergeschichte.

Eva Hornung, Dog Boy. Roman. A. d. austral. Engl. von Thomas Gunkel. [Orig.: Dog Boy, Melburne 2009.]
Berlin: Suhrkamp 2010. 335 Seiten. EUR 13,90. ISBN 978-3-518-46185-3.

 

Helmuth Schönauer, 25-11-2010

Bibliographie

AutorIn

Eva Hornung

Buchtitel

Dog Boy

Erscheinungsort

Berlin

Erscheinungsjahr

2010

Verlag

Suhrkamp

Seitenzahl

335

Preis in EUR

13,90

ISBN

978-3-518-46185-3

Kurzbiographie AutorIn

Eva Hornung, geb. 1964 in Bendigo Australien, schreibt auch unter dem Namen Eva Sallis.

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