Fabian Faltin, Gute Macht
Manche Namen lösen schon bei der bloßen Aufrufung ein ganzes Programm aus. So geht bei Heidi jeweils ein Heimatfilm ab, während wir Leser bei Kirk sofort in die Zukunft oder gar in den Weltraum gebeamt werden.
Fabian Faltin beginnt seinen Roman mit der Verbunkerung des Helden Kirk. Kirk ist virtuell völlig vernetzt, allerdings ist ihm die Umwelt abhanden gekommen. Eine Weltkatastrophe scheint im Anmarsch zu sein oder ist vielleicht schon ausgebrochen, jedenfalls hat sich Kirk in seinem Bungalow eingebunkert und versucht, Nachrichten auszuspähen.
Keine Meldung ist freilich so glaubhaft wie jene, die man selbst in Echtzeit recherchiert. Also wagt sich der Held in kleinen Schritten in die Welt hinaus und muss feststellen, dass diese sich durch das blaue Licht völlig verändert hat.
Endlich war der Monsun verzogen. An seiner Stelle behauptete sich Strahlung mit gesteigerter Intensität. Der leere Himmel wurde durchschossen von perfektem, perlend blauem Licht, wie mit einem Waschmittel gesäubert. [...] Duldsamkeit, das bedeutete ganz einfach warten. Warten, bis sich die Strahlung von selber auflöste. (72/73)
Wo es Katastrophen gibt, sind die Katastrophenjournalistinnen nicht weit. Im Falle von Kirk heißt diese lebensspendende Nachrichten-Kraft Maureen Cruz, sie erweckt die Lebensgeister von Kirk und eine coole Love-Story im blauen Licht der Katastrophe kann beginnen. Auf den Recherche-Fahrten durch die Post-präsente Landschaft leuchtet plötzlich eine Schrift auf: Gute Macht!
Diese gute Macht stellt sich als Allheilmittel vor, verströmt positives Design und hat genau betrachtet nichts anderes vor, als die Wirklichkeit mit schönen Formatierungen der Bevölkerung über den Kopf zu stülpen. Gute Nacht! ist nur einen Buchstaben von dieser Designermacht entfernt. In den Text über Katastrophe, Zukunft, virtuelle und haptische Wirklichkeit sind überrealistische Fotos eingewoben. Da spült sich ein Strand selbst in den Müll, alte Gerätschaften vor einer Blockhütte erzählen vom archaischen Frühwerk der Menschheit oder eine Fehlermeldung am Bildschirm ist aufgeblasen zu einem seitenfüllenden Entscheidungsknopf zwischen Ja und Nein.
Fabian Faltins Roman ist an der Naht zwischen virtueller Nachricht und abgekapselter Empfindung des Individuums aufgefädelt. Gleichzeitig ist die Zeit immer gerade einen Minisprung der Gegenwart voraus nach dem Motto: "Was jetzt noch kommt ist schon gekommen". Zwischen den Zeilen ist eine Abenteuergeschichte versteckt, angesiedelt zwischen dem Überlebenskampf von Robinson und der guten Stimmung von Heidi.
Ob sich die Katastrophe unbeschadet überleben lässt, bleibt offen, aber das haben gute Katastrophen so an sich.
Fabian Faltin, Gute Macht. Roman. Mit Fotos von Paul Blazek.
Wien: Milena 2010. 155 Seiten. EUR 15,90. ISBN 978-3-85286-194-4.