Peter Landerl, Stromabwärts

Buch-CoverGute Geschichten sind meist durch eine gemeinsame Fließrichtung untereinander verknüpft, wie ein Strom rinnen die einzelnen Episoden abendfüllend dahin, und tauchen schließlich unter im Meer des Geschichtenschatzes.

Peter Landerl lässt in seinen zehn Erzählungen seine Figuren entlang der Flüsse ihrem Ziel entgegensteuern, Haupt-Arm der Geschehnisse ist dabei die Donau, die gleichsam den gesamten Kontinent durchflutet.

Stromabwärts heißt die Titelgeschichte die nicht nur das Programm bestimmt sondern innigst von einem Zustand berichtet, den man allgemein als Übergangszeit bezeichnet. Belgrad soll in diesem Jahr unüblich schön sein, die Hitze erträglich und die politische Situation gemäßigt. Auch der Hausmeister aus Belgrad erzählt in einem fernen Land dem Ich-Akteur vom Leben in dieser Übergangszeit, manche Brücken funktionieren wieder, manche Überlebenskämpfe scheinen gewonnen zu sein, "weil das Wasser immer fließt, weil es immer weitergeht." (11)

Ein Liebespaar hat sich zum Höhepunkt des Lebens eine Reise gegönnt, stromabwärts durch Südosteuropa, die Bewegungen des Flusses sind ein guter Leitstrahl für das Liebesleben, das allmählich in die Breite wuchert und sich in einem riesigen Delta verliert.

Beinahe als Kontrapunkt zu dieser ersten Fließ-Geschichte sind die Bilder vom Meer zu sehen. Jetzt gibt es plötzlich eine Küste und die Elemente Wasser und Erde sind zu manchen Zeiten klar getrennt. Aber auch hier nagt überall der Verfall an den Dingen, die in der Landschaft aufgestellt sind.

Aus der Entfernung war das Haus schön anzusehen, aber je näher man kam, umso deutlicher wurden Dreck und Verfall. Das Haus war unrettbar verwahrlost. Es fraß sich selbst auf. (38)

Die Stromabwärts-Figuren sind alles andere als stromlinienförmig angelegt. Jemand will ins Donaudelta, um der Arbeitslosigkeit zu entfliehen, ein anderer ist während des Zivildienstes an seinen eigenen Rand gekommen, eine dritte Figur, eine dynamische Frau, legt ein paar Urlaubstage ein zur Entschleunigung der Zustände.

"Da und dort, nirgendwo, immer" heißt schließlich eine Erzählung, in der die Tage kurz als Städte-Flashs aufblitzen, oft nur für einen Lippenstrich eines grellen Strichs.

Innsbruck // Die Landung auf dem Flughafen Kranebitten mit einer kleinen Tyrolean-Maschine immer wieder ein Erlebnis, das enge Tal, die schroff abfallende Nordkette. ein. [...] Frische Luft von den Bergen. Die Innsbrucker sind elegant und teuer angezogen, sie sind so sportlich. Auf den Bergen Feuer. Sommersonnenwende. (114)

In der letzten Geschichte gibt es noch einmal ein kleines Aufbegehren gegen den Lauf der Politik. In einem Pariser Vorortgespräch zieht ein Wiener Jude Bilanz und fügt sich dann dem Lauf des Lebens. Alles rinnt stromabwärts, wie das Amen im Gebet.

Peter Landerls Geschichten vom Lauf der Zeit beeindrucken durch die Genügsamkeit, mit der die einzelnen Figuren unterwegs sind in ihrer ins Unendliche getimten Gestik. Diese Texte ticken unaufhaltsam aus dem Gehäuse einer verlässlichen Zeitmaschine.

Peter Landerl, Stromabwärts. Erzählungen.
Innsbruck: Edition Laurin 2010. 155 Seiten. EUR 16,90. ISBN 978-3-902719-74-4.

 

Helmuth Schönauer, 29-11-2010

Bibliographie

AutorIn

Peter Landerl

Buchtitel

Stromabwärts

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2010

Verlag

Edition Laurin

Seitenzahl

155

Preis in EUR

16,90

ISBN

978-3-902719-74-4

Kurzbiographie AutorIn

Peter Landerl, geb. 1974 in Steyr, lebt in Straßburg.

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