Regina Hilber, im schwarz blühen die schönsten farben
Lyrik hat vor allem zwei Wege, um ins Herz zu dringen. Einmal ist es der Klang, zum anderen die Haptik.
In der Edition Thurnhof erscheinen immer wieder Bücher, die vor allem durch die Druckqualität, Graphik und das Papier über die Fingerspitzen in den Leser eindringen. In diesen Büchern wirken die Texte quasi wie mit der Meister-Füllfeder geschrieben und diese Bücher sind naturgemäß das satte Gegenteil eines E-Books. In dieser Aufmachung macht es einen Sinn, wenn straff gesetzte Lyrik auf stringent komponierte Bilder und Zeichen trifft.
Regina Hilber hat den Lyrik-Teil übernommen, dabei klärt sie in der ersten Hälfte jeweils die mögliche Identität mit den Beschwörungsformeln "ich bin". Ich bin dein Minutenglück, ich bin dein Wortinstrument, ich bin deine Fallgrube, ich bin dein Kuhgehöft, ich bin dein Untergang flüstern diese magischen Formulierungen eines rätselhaften lyrischen Ichs.
Im zweiten Teil sind es vielleicht kulturelle Partikel aus entlegenen Gegenden, die als erstes ins Auge springen. Ein Liebespaar ist aus der Ukraine geflüchtet und hat sich so etwas wie einen russischen Oberton in der Stimme bewahrt, in Ljubljana taucht ein seltenes Wort für Elefanten auf, oder in Sibirien hockeln am Jesseni-Fluß Glassärge im Gras. Und manchmal setzt sich ein Gedicht mit seltsamer Stimmführung auf den Acker und verhext das Ich zu einem Gegenstand oder ein Haus.
im stimmfenster der zeit die endlosen worte ging ein kind / spazieren / auf dem acker der vernunft die fliehenden pferde kehrt / die hingabe um / hüte das licht der schottrigen auswege / der rotkuhligen schwestern / zofen der zwietracht / öffne die faust die herzogin jetzt / muse des vergessens // ich bin mir ein gegenstand / ein haus (24)
In den Lithographien von Claudia Berg sehen wir botanische Schraffuren, die vielleicht aus einem verfallenen Entree eines Gemäuers heraus wuchern. In geritzten Verwitterungen löst sich ein Sakralbau auf, vor zersprungenen Vasen haben längst schnell wachsende Baumstrünke die Herrschaft auf die Sicht übernommen.
Texte wie Bilder dieses edlen Bandes sind zurückgenommen, verhalten, rätselhaft. Aber diese Kunstwerke lassen den Leser nicht aus dem Auge, sie schauen zurück. Und so ist der Titel des Bandes durchaus eine Botschaft des Sehens: Im Schwarz blühen die schönsten Farben!
Regina Hilber: im schwarz blühen die schönsten farben. Offsetlithographien von Claudia Berg
Horn: Edition Thurnhof 2010 [2011], 42 Seiten, 24,00 €, ISBN 978-3-900678-11-1.